Archiv für den Monat: September 2013

Bundestagswahl 2013: Linke Parteien im Wahlkampf

Bundestagswahl_2013_WahlzettelDie Bundestagswahl ist für das LINKE FORUM von nur mittelbarer, wenn auch nicht geringer Bedeutung. Der allgemeine gesellschaftliche Trend wird hier ablesbar. Rahmenbedingungen entstehen, die auch auf die Arbeit des LINKEN FORUMS Auswirkungen haben.

Auf eine einheitliche Wahlempfehlung konnte man sich im LINKEN FORUM nicht einigen. Nötig ist das nicht, denn schließlich definiert sich das LINKE FORUM als unabhängiges Personenwahlbündnis, in dem Menschen aus verschiedenen Parteien konstruktiv lokal und regional zusammen arbeiten können. Tatsächlich unterstützen verschiedene Mitglieder des LINKEN FORUMS den Bundestagswahlkampf der einen oder anderen Partei aktiv.

Ein Blick auf die Liste der zur Wahl zugelassenen Parteien ist indes fast ernüchternd: Von den 34 zur Wahl zugelassenen Parteien sind nur drei im linken Spektrum verortet. Von allgemeiner Bekanntheit ist die Partei DIE LINKE. Sie hat zu dieser Wahl eine klar „reformistische“ Haltung eingenommen. Daneben kämpfen nur noch die „revolutionäre“ MLPD (Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands) und die „trotzkistische“ PSG (Partei für Soziale Gleichheit, Sektion der IV. Internationale) um Stimmen und Wahrnehmung. Die DKP (Deutsche Kommunistische Partei) unternimmt wieder keinen Versuch eines unabhängigen Antritts und unterstützt stattdessen gutenteils DIE LINKE bei ihrer Kandidatur. Wir haben uns die Kampagnen der kandidierenden linken Parteien einmal angesehen. (Da eine solche Betrachtung nur in einem gewissen Grade oberflächlich sein kann, haben wir am Ende der Abschnitte auf die Informationen der jeweiligen Partei verwiesen.)

DIE LINKE.

Die aus der PDS (Partei des Demokratischen Sozialismus) und WASG (Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit) hervorgegangene Partei DIE LINKE verteidigt in diesem Wahlkampf ihre Stellung im Bundestag. Die Plakat-Kampagne führt die Partei mit 8 Themenplakaten. Die Themen konzentrieren sich dabei auf den sozialen Bereich der Politik: Rente, Mindestsicherung (die Alternative der Partei zu Hartz IV), Mindestlohn und Millionärssteuer stehen im Zentrum der Kampagne. Eine tatsächliche Systemkritik vermeidet die Partei hingegen.

DIE LINKE: Revolution ist nicht zeitgemäß.In diesem Wahlkampf bringt DIE LINKE auch ein spezielles Großflächenplakat ein (links), mit dem sie ihre politischen Kernthemen noch einmal zusammen-fasst. Sinniger Weise beginnt es mit „Revolution? Nein, …“, bevor auf die einzelnen Themen eingegangen wird. Revolutionären Perspektiven erteilt DIE LINKE eine eindeutige Absage: Sie seien nicht zeitgemäß. DIE LINKE empfindet die konstruktive Mitarbeit unter den herrschenden Verhältnissen scheinbar nicht mehr als Einschränkung sondern als ihr Betätigungsfeld. Sie will das System verändern, nicht aber es überwinden. Damit versucht sie, ihre Verankerung als „normale Partei“ unter anderen Parteien voranzutreiben, ohne ihre Alleinstellungsmerkmale unter den „großen Fünf“ zu verlieren.

Dabei ist DIE LINKE unleugbar in vielen Punkten standhaft geblieben und somit als Sprachrohr oppositioneller Kräfte verschiedener Art im Bundestag weiterhin von nicht unerheblicher Bedeutung. So ist die gegenwärtige Mindestlohndebatte (ebenso wie der Versuch ihrer Vereinnahmung durch bürgerliche Parteien) sicherlich zu einem guten Teil der Beharrlichkeit der LINKEN zu verdanken, auch wenn sie zu keinem Zeitpunkt die einzige linke Partei gewesen wäre, die eine derartige Forderung vorgebracht hätte. Im Gegenteil war sie hier in der Vergangenheit, was die Höhe der Forderung angeht, noch am zurückhaltendsten. Die Partei-internen Auseinandersetzungen geben allen bisherigen Erfolgen jedoch einen unangenehmen Beigeschmack. Man fragt sich angesichts des Wirkens von Fraktionen wie dem FDS (Forum Demokratischer Sozialismus) und der SL (Sozialistische Linke) durchaus gelegentlich, wie lange beispielsweise der fundamentale Widerstand gegen Militärinterventionen erhalten bleibt – Hierzu hatte es von einigen Mitgliedern der Linksfraktion um den Kölner MbB Paul Schäfer in einem Fall bereits in der auslaufenden Periode Enthaltungen gegeben.

Dass diese Gradwanderung nicht ganz nebenwirkungsfrei ist, symbolisiert ein anderes Plakat der Partei, mit dem sie ihre östlichen Stammwähler umgarnt (rechts). Dabei ist die Aussage, der Osten wähle Rot, so schon seit einiger Zeit nicht mehr richtig. Tatsächlich hat DIE LINKE im Osten anteilig in den letzten Jahren mehr Stimmen verloren, als im Westen, seit sie sich mehr und mehr um Regierungsbeteiligungen bemüht. Am drastischsten sind die Verluste dabei interessanter Weise in den Bundesländern, in denen DIE LINKE in Koalitionensregierungen beteiligt war. So hat die Partei alleine in Berlin gut die Hälfte ihrer Wähler verloren. Diese Entwicklung ist insbesondere deshalb kritisch für den dauerhaften Fortbestand der Partei, da sie sich im Westen nach anfänglichen Erfolgen nicht nachhaltig als Wahlpartei etablieren konnte. Ob man diesem Trend entgegenwirken kann, indem man einfach nur eine lokal-patriotische Kampagne führt, erscheint zweifelhaft. „Klar!“ jedenfalls ist es nicht.

Weitere Informationen zum Wahlkampf der Partei DIE LINKE erhält man hier:
http://www.die-linke.de/wahlen/positionen/

MLPD

Die MLPD führt den Wahlkampf mit nicht weniger als 16 Themenplakaten. Dabei deckt sie einen weiten Bereich sowohl klassischer Positionen der Arbeiterklasse ab, als auch Grundsätzliches und tagespolitische Themen. Die MLPD vertritt übrigens (im Gegensatz zu ihrer klassischen Gegenspielerin im linken Parteienspektrum, der DKP) nicht den Sozialismus, wie er in der UdSSR und der DDR ab den 50’ern des letzten Jahrhunderts bestanden hatte. Schon ihre Vorgängerorganisationen (bspw. der KABD, der Kommunistische Arbeiterbund Deutschlands) hatten eine kritische Haltung gegenüber dem real existierenden Sozialismus. Die Forderung nach einem „echten Sozialismus“ muss man unter diesem Gesichtspunkt betrachten.

Mit dem ersten Plakat der Serie (links) fasst die Partei ihr Selbstverständnis zusammen. In der Erläuterung steht einleitend: „Radikal heißt, dem Übel an die Wurzel gehen.“

Für die MLPD ist ein revolutionärer Umbruch, also eine grundlegende Veränderung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse, nach wie vor zwingende Voraussetzung für einen tatsächlichen Fortschritt. Das Verhältnis zwischen Tagespolitik und Theorie drückt das folgende Zitat von der Internetseite der Partei recht gut aus:

Natürlich brauchen wir einen Mindestlohn von 10 Euro. Das Grundproblem ist aber die kapitalistische Ausbeutung der Lohnarbeit.

Die MLPD unterstützt durchaus Kampagnen, die geeignet sind, die unmittelbaren Lebensverhältnisse der Menschen zu verbessern, betrachtet es aber als Illusion, alleine mit solchen Mitteln eine dauerhafte Verbesserung erzwingen und auch halten zu können. Damit kontrastiert sie deutlich zur Partei DIE LINKE, die weitestgehend über die Durchsetzung ihrer Tagespolitik hofft, eine grundsätzliche Änderung der Gesellschaft mittel- bis langfristig herbeiführen zu können. Auffällig ist, dass sich die MLPD quantitativ mit einer großen Anzahl von Themen auseinandersetzt. Unter anderem die von der Partei jahrelang unterbewertete Umweltpolitik findet nun entsprechende Berücksichtigung.

International ist die MLPD in der ICOR organisiert, der über 30 Parteien in verschiedenen Ländern mit teils unterschiedlicher ideologischer Ausrichtung angehören.

Von besonderem Interesse auch für die Oberbergische Region erschien übrigens ein Plakat, mit dem die MLPD darauf eingeht, dass Preise zugleich zu hoch und zu niedrig sein können (rechts). Und das an einem für den landwirtschaftlich geprägten Oberbergischen Kreis besonders interessanten Beispiel: Der Milch.

Auch wenn wir die verwendete Parole richtig und schlüssig finden, bedarf es doch einer gewissen Erklärung, damit sie allgemein verständlich wird. Man könnte es zusammenfassen, wenn man sagt, dass das Problem in der Preispolitik der „Zwischenhandel“ ist. Auf der einen Seite erhalten die Erzeuger insbesondere der landwirtschaftlichen Produkte einen zu geringen Verkaufspreis, auf der anderen Seite ist der Endpreis der Produkte zu hoch, um für die ganze Bevölkerung in der benötigten Menge noch ohne Einschränkungen in sonstigen Bereichen erschwinglich zu sein. Hier werden Erzeuger und Verbraucher regelmäßig in der Öffentlichkeit gegeneinander ausgespielt – Und zu selten, wenn überhaupt, wird darauf hingewiesen, dass die an diesem Geschäft Verdienenden diejenigen sind, die die Produkte vertreiben, und nicht diejenigen, die sie produzieren. Es besteht also durchaus kein Widerspruch, wenn die Landwirte fordern, mehr Geld für ihre Milch zu erhalten, und die Verbraucher fordern, dass der Milchpreis sinkt.

Weitere Informationen zum Wahlkampf der MLPD erhält man hier:
http://www.mlpd.de/wahl-2013

PSG

Die PSG ist die kleinste der drei Parteien und hat den Antritt mit Landeslisten nur in drei Bundesländern geschafft – DIE LINKE und die MLPD treten hingegen in allen Bundesländern mit eigenen Listen an. Die PSG geht, wie DIE LINKE, mit 8 Themenplakaten in den Wahlkampf. Unsere Beurteilung der PSG ist sicherlich lückenhaft, denn im Gegensatz zu den anderen beiden Parteien fehlt uns jede praktische Erfahrung mit der PSG, die nur ca. 260 Mitglieder hat, die meisten davon wohl in Berlin und NRW.

Die PSG gehört übrigens zur IV. Internationalen (also, genauer: dem Internationalen Komitee der Vierten Internationale), steht also nach eigenem Verständnis in der Tradition Leo Trotzkis. Insofern nimmt auch sie keinen positiven Bezug auf die spätere UdSSR (ab Stalin) und die DDR. Die PSG hat Schwesterparteien in fünf anderen Ländern, die alle nach dem gleichen Schema benannt sind – die „Social Equality Parties“.

Im Gegensatz zu anderen trotzkistischen Organisationen, die teilweise offen in der Partei DIE LINKE wirken, hat die PSG die Fusion von WASG und PDS von Beginn an abgelehnt und hat auch nie den Versuch zu einer Zusammenarbeit oder sonstigen Einflussnahme unternommen. Gleichzeitig beteiligt sie sich seit ihrer Gründung 1997 vorbehaltlos an Wahlen auf verschiedenen Ebenen mit eigenen Kandidaturen und versucht so ihre Positionen einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen.

Interessanter Weise hat die PSG für diesen Wahlkampf einheitlich blaue Plakate entworfen. Eine relativ unübliche Wahl für eine linke Partei, insbesondere in einer Zeit, in der Blau zunehmend von konservativen Kleinparteien und neofaschistischen Tarnparteien wiederentdeckt wird. Ebenso wie DIE LINKE verzichtet die PSG weitestgehend auf Bildmotive und beschränkt sich auf markige Schriftzüge.

Viele der Plakate haben nicht unbedingt einen praktischen Bezug zur Bundestagswahl. So wird auf einem Plakat die Bildung einer Arbeiterregierung gefordert, auf einem anderen zum gemeinsamen Kampf gegen die Diktatur der Banken mit Kairo und Athen gefordert.

Ein deutliches Unterscheidungsmerkmal von den anderen beiden linken Parteien stellt die Forderung nach einem Bedingungslosen Grundeinkommen dar. Diese Forderung wird zwar innerhalb der Partei DIE LINKE regelmäßig diskutiert – so gibt es eine eigene Bundesarbeitsgemeinschaft, die sich diesem Thema widmet – offiziell hat die Gesamtpartei dies aber nie gefordert. € 1.500 soll jeder Bürger mindestens erhalten, so fordert die PSG. Finanzieren will man das durch eine entsprechende Versteuerung der Einnahmen der Kapitalbetriebe und der hohen Gehälter. Über € 20.000 im Monat soll jeder Euro zu 100% versteuert werden.

Die Banken sollen nach Vorstellung der PSG möglichst direkt enteignet werden. Außerdem greift die PSG ein wichtiges Thema auf, dass von den anderen linken Parteien nicht auf einem Plakat behandelt wird: Mietwucher. Bezahlbarer Wohnraum ist ein Grundrecht – Die PSG will es gewährleisten, in dem Miethaie enteignet und die Strom-, Wasser- und Gasversorgung unter die demokratische Kontrolle der Beschäftigten und Mieter gestellt werden.

Weitere Informationen zum Wahlkampf der PSG erhält man hier:
http://www.gleichheit.de/positionen/

Und was nun?

Zusammenfassend kann man sagen, dass sich die drei linken Parteien in dieser Bundestagswahl wenig unterscheiden, wenn man nur danach geht, welche politischen Forderungen sie im Alltag befürworten oder ablehnen. Natürlich sollte man politische Fragen nicht „binär“ verstehen: „Unter der Haube“ unterscheiden sich die drei linken Parteien grundlegend.

Das wird offensichtlich, wenn man die jeweiligen Lösungskonzepte und Motivationen der Parteien betrachtet. Hier also noch einmal einige, teils oben bereits gemachte Feststellungen im direkten Vergleich:

Das Verhältnis zu den Gewerkschaften unterscheidet sich, beginnend mit einer klaren Bejahung seitens der LINKEN, über eine kritische Unterstützung durch die MLPD bis zur völligen Ablehnung durch die PSG. Alle drei Parteien lehnen Auslandseinsätze der Bundeswehr ab, aber nur MLPD und PSG fordern noch deren Auflösung (wobei sich die MLPD zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf die Auflösung der Interventionseinheiten beschränkt). Alle lehnen Hartz IV ab (MLPD und PSG in ihren Kampagnen ausdrücklich alle Hartz-Gesetze, wohingegen sich DIE LINKE hier nur auf Hartz IV direkt bezieht), aber die Vorstellungen, wie die soziale Sicherung gestaltet werden soll, unterscheidet sich wiederum. Will DIE LINKE anfangs nur den Regelsatz auf € 500 erhöhen und mittelfristig eine Mindestsicherung von € 1.050 durchsetzen, fordert die MLPD die Abschaffung aller Hartz-Gesetze und stattdessen die Erhöhung des ALG 1 sowie die unbegrenzte Fortzahlung für die Dauer der Arbeitslosigkeit. Die PSG will ein bedingungsloses Grundeinkommen von € 1.500 bei einer gleichzeitigen Einkommensobergrenze von € 20.000. Und so geht es auch bei den meisten anderen Themen weiter.

Wer einer linken Partei in dieser Wahl also seine Stimme geben und dabei nicht nur der opportunistischen Überlegung, wer’s denn wohl in den Bundestag schafft, folgen will, der ist sicher gut beraten, sich alle drei Parteien genauer anzusehen und zu vergleichen.

Übrigens

Auch nicht schön: Von den 31 verbliebenen Parteien sind nicht weniger als 7 offen rechtsextremistisch oder so genannt rechtspopulistisch (und die CSU beziehen wir hier nicht mit ein… auch wenn wir uns nicht ganz sicher sind, warum eigentlich nicht). Dabei ist die NPD erstmals seit langem nicht der radikalste Kandidat: Die unter anderem in Wuppertal vertretene Partei „Die Rechte“ rekrutiert sich in NRW größtenteils aus den Banden im letzten Jahr verbotener neonazistischer Kameradschaften. Diesen Parteien sollte auch der geneigte Protestwähler seine Stimme nicht geben, denn erreicht eine der Parteien mehr als 0,5% der Stimmen, erhält sie Bundesmittel für ihre Beteiligung am Wahlkampf. Und das kann in niemandes Interesse sein.