Archiv für den Monat: Juli 2017

Solidarität: Die Rote Flora hat zu bleiben!

Nach den Ausschreitungen beim G20 Gipfel in Hamburg wird der Ruf nach einer Räumung des links-autonomen Zentrums „Rote Flora“ wieder lauter. Das ehemalige Theater, das seit 1989 von linken Aktivisten besetzt und ausgebaut wird, wird nun für die massiven Ausschreitungen im Hamburger Schanzen-Viertel verantwortlich gemacht.

Vereinzelt wird sogar der Ruf nach einer gewaltsamen Räumung des Linken Kulturzeitrums lauter. So sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer (CSU), der „Bild“-Zeitung:

„Angesichts der Gewalt-Exzesse und der Dimension der hemmungslosen, entfesselten Aggression gegen Polizeibeamte sowie der Zerstörungswut seitens linksextremer Demonstranten und Autonomer halte ich eine gewaltsame Räumung der Roten Flora jetzt für zwingend geboten“.
Stephan Mayer (CSU)

Diese Aussage gleicht einem Aufruf zu einer Hetzjagd gegen Autonome und Linksaktivisten! Sie kommt übrigens von dem gleichen Mayer, der gleichzeitig zu Nazi-Konzerten sagt, das Gemeinwesen müsse es aushalten, wenn Kundgebungen selbst mit schwer erträglichen Inhalten durchgeführt würden. (Quelle: Deutschlandfunk)

Man muss auch mal ganz klar sagen, dass der Staat sich und seinen Organen derweil gestattet, mit Schlagstöcken, Tränengas, Pfefferspray und Wasserwerfern gegen friedlich demonstrierende Menschen vorzugehen, es aber nicht ok ist, dass diese Menschen auf diese Provokationen und Angriffe mit Gewalt antworten – hierfür werden sie dann als „gewaltbereit“ gebrandmarkt.

Ist es also im Staatsinteresse, Rentner nieder zu knüppeln, Passanten im Konvoi zu überfahren (und das Opfer liegen zu lassen) und Zelt- Camps gewaltsam zu räumen und dabei auf friedliche gestellte Fragen mit Salven von Pfefferspray zu antworten? Die Gegenwehr der Bürger hingegen darf nicht toleriert werden?

Es ist allerdings auch aus unserer Sicht absolut nicht zu vertreten, dass sich mit Molotow-Cocktails und Gehwegplatten gegen die Einsatzkräfte „gewehrt“ wird. Das ist eine Frage der Verhältnismäßigkeit, der sich im Zweifelsfall auch linke Aktivisten stellen müssen.

Für Hamburgs Ersten Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) ist jedenfalls klar, wer die Schuld an den Ausschreitungen trägt. Der Welt gegenüber erklärte er:

„Verantwortlich sind einzig und alleine jene Straftäter, die mit einer unglaublichen Rücksichtslosigkeit und massiver krimineller Energie diese schweren Straftaten begangen haben.“
Olaf Scholz (SPD)

Dies ist ein sehr schlechter Versuch, sich aus der Verantwortung zu ziehen, denn die Konsequenzen aus dem Debakel will Herr Scholz (für sich) nicht ziehen. Die einzige Konsequenz, die hinnehmbar ist, ist der Rücktritt und die Übernahme der Verantwortung vor dem Gesetz. Denn das Vorgehen der Einsatzkräfte ist ein klarer Verstoß gegen das Gesetz über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz) §1. Scholz hat dies zumindest billigend in Kauf genommen (s.u. Hartmut Dudde).

44 Strafanzeigen wurden bis heute (Stand 14.07.17) gegen Polizeibeamte erstattet.
Im Vorfeld des G20 Gipfels wurde eine Einheit der Berliner Bereitschaftspolizei wegen nicht akzeptablen Verhaltens in der Öffentlichkeit (gemeint sind Orgien und Gewalt-Exzesse) nach Hause beordert. Auch daran zeigt sich die bereits im Vorfeld des G20 Gipfels aufgeheizte Stimmung der Einsatzkräfte.

Der Kommandoführer des sächsischen SEK hat den Einsatz der Spezialeinheiten bei den Krawallen rund um den G-20-Gipfel in Hamburg hingegen als Erfolg bezeichnet… Diese Aussage angesichts bürgerkriegsähnlicher Zustände, denen die Einsatzkräfte offensichtlich nicht gewachsen waren, zu machen, ist mehr als deplatziert.

Dabei gingen Sachbeschädigungen und Plünderungen in vielen Fällen nicht von Autonomen und so bezeichneten Linksextremisten verschiedener Strömungen aus. Unter Anderem in einem Artikel auf der Internetseite www.ruhrbarone.de (einer keinesfalls linken Publikation) wird berichtet, dass die Autonomen im Schanzenviertel Ladenbesitzer und deren Läden vor der Polizeigewalt beschützt haben. Die Polizei mag alles tun, um die Verantwortung für die Gewalt ausschließlich und einzig dem Demonstranten von Links zuzuschieben (und schreckt hier auch nicht vor Vorverurteilungen zurück -so nennt sich die entsprechende Soko „schwarzer Block“, womit der Täterkreis schon vor den Ermittlungen klar eingegrenzt wird), dies wird aber nicht einmal der unübersichtlichen und schwierigen Lage vor Ort gerecht, wenn man sich auf die Gewalt beschränkt, die nicht von der Polizei ausging. In vielen Fällen jedoch ging die Gewalt nachweislich von der Polizei aus:

Die Maßnahmen des Staates richteten sich übrigens nicht nur gegen die Demonstranten und Hamburger Bürger, sondern auch gegen kritische Journalisten: 32 von ihnen wurde vor dem G20-Gipfel die Akkreditierung entzogen. In den meisten Fällen, ohne dass die betroffenen Journalisten hiervon unterrichtet wurden. Ferner gibt es mehrere Fälle, in denen Journalisten unmittelbar von Polizeikräften angegriffen, bedroht oder bei der Ausübung ihrer Tätigkeit anderweitig behindert wurden. (s.a. Telepolis vom 12.07.2017)

Wir solidarisieren uns mit der roten Flora und den Genossinnen und Genossen aus Hamburg!

Linke Kulturzentren und Treffpunkte sollen nun, trotz ihres unbestreitbaren, freiwilligen und oft nicht einmal als ehrenamtlich geführten sozialen Engagements pauschal sowohl für die Gewalt der Demonstranten, als auch die Gewalt der Polizei und das völlige Scheitern des Sicherheitskonzepts der Ordnungskräfte verantwortlich gemacht werden. Welche Rolle die Rote Flora dabei gespielt haben soll, ist im Gegensatz zur Rolle des leitenden Polizeidirektors der Hamburger Polizei, Hartmut Dudde, ominös. Dudde hatte bereits mehrfach, auch lange vor diesem G20 Gipfel, bei großen Einsätzen erwiesenermaßen rechtswidrig gehandelt (2008 auch schon im Zusammenhang mit der Roten Flora). Man wusste, welcher Art Polizist man zum G20 Gipfel die Kontrolle über die Ordnungskräfte gab.

Dudde bleibt, aber die Rote Flora soll weg?

Wir beziehen Position gegen den Versuch, ein Szenario zu konstruieren, welches kein anderes Ziel hat, als die gewaltsame Räumung der Roten Flora zu rechtfertigen.


Text & Recherche:
CR, AL, DM

Vier Nazis schlagen Familienvater tot, ein minderschwerer Fall gemeinschaftlicher Körperverletzung mit Todesfolge

Waldbröl ist eine der südlichsten Gemeinden des Oberbergischen Kreises. Das Städtchen ist Inbegriff ländlicher Gemütlichkeit. Doch auch hier wird die rechte Szene immer gewalttätiger. Im letzten Jahr war Waldbröl Schauplatz eines faschistischen Verbrechens: Vier Neofaschisten schlugen nachts einen Familienvater tot. Eigentlich hatten sie nur Flüchtlinge jagen wollen…
Letzte Woche wurde das Urteil gesprochen.

Die vier Faschisten, die in Waldbröl (Oberbergischer Kreis) am 1. September 2016 erklärtermaßen einen 40-Jährigen Familienvater tot geschlagen haben, weil sie keine Flüchtlinge fanden, wurden vor dem Landgericht Bonn nicht etwa wegen Mordes, sondern wegen minderschwerer gemeinschaftlicher Körperverletzung mit Todesfolge, zwei von Ihnen (Alter 21, 22, 23, 36) nach Jugendstrafrecht, zu Haftstrafen von 2,5 bis 4 Jahren verurteilt (teils wird berichtet 2 Jahre, was die Möglichkeit einer Bewährungsstrafe bedeuten würde), weil sie aussagten, das Opfer habe sie wiederholt provoziert und es sei ihnen doch nicht klar gewesen, dass der gleich stirbt, wenn man ihm den Schädel einschlägt.

Die Faschisten hatten ihr Opfer, auch, als es schon am Boden lag, mit Tritten und Schlägen mit Fäusten und einem „Stock“ auf den Kopf immer weiter angegriffen. Das Opfer versuchte noch, kriechend zu fliehen, aber die Faschisten ließen nicht von dem 40-Jährigen ab. Der verheiratete Vater zweier Kinder starb neun Tage später im Krankenhaus an einem Schädelbasisbruch bzw. einem Schädelhirntrauma.

„Für den Strafrahmen spielt eine Rolle, dass von einem minderschweren Fall der Körperverletzung mit Todesfolge auszugehen ist. Dies ganz maßgeblich deshalb, weil das Opfer, der Getötete, immer wieder von selbst auf die Angeklagten zugegangen ist und sie beschimpft hat. Also sie zu der Tat immer weiter provoziert hat.“
Bastian Sczech, Sprecher des Landgerichts Bonn

Das Gericht gesteht den Angeklagten mit diesem Urteilspruch zu, dass sie nicht mit Tötungsabsicht und auch nicht aus unlauteren Motiven heraus gehandelt hätten – alles andere hätte nämlich eine Verurteilung wegen Mordes bedeutet. Stattdessen gibt das Gericht dem Opfer eine Mitschuld an seinem Tod. Das Urteil ist schon aus diesem Grund für uns nicht nachvollziehbar und nicht tragbar. Wir erkennen es nicht an. Wir fordern eine angemessene Bestrafung dieser Mörder – als Mörder!
In keinem Fall dürfen diese Menschen auf freien Fuß gesetzt werden.

Wir verurteilen daher auch nicht nur die Tat und die Täter, sondern auch das Gericht, das mit diesem Urteil nicht nur dem verstorbenen Opfer und seinen Angehörigen in’s Gesicht gespuckt hat, sondern auch klar zeigt, wo es steht. Faschistisch motivierte Morde werden als Körperverletzungen verharmlost. Damit wird den Opfern rechter Gewalt gezeigt, dass sie mit keinem Schutz und keiner Gerechtigkeit rechnen können. Den faschistischen Tätern wird gezeigt, dass sie mit der vollen Milde des Gesetzes rechnen können.

Unsere Erfahrungen in Radevormwald passen in dieses Gesamtbild. Dort musste der Anführer der verbotenen neofaschistischen Kameradschaft „Freundeskreis Radevormwald“, Jonas Ronsdorf, mehrere Jahre nach der Verurteilung zu einer Haftstrafe von gerade einmal 2,5 Jahren (die allerdings auf Grund der Länge von über 2 Jahren nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden konnte) nicht zur Haft antreten. Erst, nachdem das LF diesen Skandal öffentlich thematisierte, wurde die Haftstrafe vollstreckt. Die anderen verurteilten Neofaschisten hatte man quasi gleich laufen lassen: Sechs von ihnen erhielten Haftstrafen von 2 Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt wurden, einer eine Geldstrafe.
Gemeinsam hatten sie die Radevormwalder über ein Jahr terrorisiert und dabei auch mehrere Angriffe auf Menschen mit Migrationshintergrund und politische Gegner verübt.

s.a.: Artikel des WDR vom 4.7.17