Archiv für den Monat: März 2014

Kommentar von Fritz Ullmann: Ukraine – Demokratisierungsprozess, ganz ohne Wahlen?

Mit dem Begriff „Demokratisierungs-Prozess in der Ukraine“ gibt es zumindest zwei grundsätzliche Probleme, über die dringend lauter gesprochen werden muss.

Erstens unterstellt man damit, dass vorher keine demokratischen Verhältnisse geherrscht hätten denn „Demokratisierung“ würde ja bedeuten, dass die Demokratie erst hergestellt werden müsse. Die Legalität der Wahlen, in Folge derer Janukowitsch zum Ministerpräsidenten der Ukraine wurde, der unter anderem von Russland (und zufällig mit Recht) nach wie vor als rechtmäßiger Ministerpräsident der Ukraine betrachtet wird, hat im Westen niemand ernsthaft in Frage gestellt. Wahlen sind anscheinend grundsätzlich undemokratisch, wenn ihr Ergebnis dem Westen nicht gefällt. Solche Ergebnisse kann es eben nicht geben, denn wir sind die Guten: Die Legitimität der neuen Regierung leiten wir folglich einfach aus dem unterstellten Willen der angenommenen Mehrheit der Bevölkerung ab. Mit der gleichen Legitimität ließe sich übrigens das Merkel-Regime absetzen und die Rheinische Räterepublik ausrufen – Eine Sache, die wir vielleicht im Auge behalten sollten.

Zweitens behauptet man somit – was weit dramatischer, wenn auch im Westen üblich ist – dass eine Putschisten-Regierung, deren Mitglieder zu keinem Zeitpunkt und von niemandem gewählt wurden und stattdessen mit Gewalt an die Macht gekommen sind, eine qualitative Verbesserung gegenüber einer gewählten Regierung sein könnte. So etwas nennt man dann „Nationale Übergangsregierungen“.  Wir hatten das in den letzten Jahren immer wieder, zuletzt in Libyen. Mit Übergang will man den Eindruck erwecken, dass es irgend wann sicher mal wieder eine echte Wahl geben wird. Nachdem man seine Kritiker beseitigt hat. Vielleicht.

Dazu kommt dann noch, dass im Lager der „Nationalen Übergangsregierung“ auch offen faschistische Kräfte wie der so genannte „Rechte Sektor“ aktiv sind. Auch das mag sich nicht so richtig mit der klassischen Vorstellung von Demokratie vertragen.

Man muss es ganz klar sagen und darf dabei keine Missverständnisse aufkommen lassen: Demokratisch ist nicht, was mit dem ausgedrückten Willen der Mehrheit geschieht. Demokratisch ist einzig und allein, was „uns“ gefällt. Dinge die uns gefallen sind zum Beispiel günstige Ressourcen. Und dass man an solche Dinge ohne eine ordentliche Regierung viel besser herankommt hat sich über Jahrzehnte wieder um wieder, vom Kongo bis Libyen, bewiesen.

Hinter dem Begriff „Demokratisierung“ versteckt sich heutzutage also mehr denn je die westliche Unterstützung für Diktatoren und Putschisten.

Dass sich dann viele vielleicht wirklich sicherere Verhältnisse unter der imperialistischen Konkurrenzmacht Russland versprechen, zumal wenn man mit dieser geschichtliche Bindungen hat – auch wenn es uns nicht gefallen mag, kann es denn überraschen?

Kommentar von Fritz Ullmann: Der Hoeneß und sein Fehler

Uli Hoeneß ist ein Verbrecher. Er hat Steuerbetrug mit einem Gegenstandswert von annähernd 28 Millionen Euro begangen. Bei seiner Selbstanzeige hatte er mindestens 25 Millionen Euro vergessen. Dass der ehemalige Berater eines Finanzministers, der zwischenzeitlich Kanzlerkandidat der SPD wurde, nicht im Gefängnis ist und sich auch noch breiter öffentlicher Unterstützung erfreut, verwundert nur auf den ersten Blick.

Er sähe nur den Menschen Uli Hoeneß und dessen Familie, sagt Daum. Mitgefühl prägt die Kommentare. Heribert Bruchhagen, Vorstandschef von Eintracht Frankfurt, ist sehr traurig, dass der Uli „für seinen Fehler so heftig büßen muss“. Viele halten es wie der hier zitierte Trainer eines Fußballvereins. Die Worte der Prominenten sind von Mitleid geprägt. Law-and-Order Seehofer, Diktator der bananenlosen Republik Bayern und Vorsitzender ihrer Staatspartei CSU, ist „zuallererst menschlich betroffen, weil eine Freiheitsstrafe natürlich für jeden Menschen, und damit auch für Uli Hoeneß, ein gravierender Eingriff ist“. Hoeneß war eben nie ein Linksextremist. Dass er weiterhin ein Mitglied der Gattung Mensch bleibt, versichert nach Überprüfung die evangelische Kirche im Rheinland durch ihren Präses, Manfred Rekowski: „Ein Mensch, der Fehler macht, wird bei Gott nicht zum Unmenschen.“

Wie erklärt sich so viel Mitgefühl für einen Menschen, der aus niederen Motiven (Habgier eben halt) so viel Schaden angerichtet hat? Manch einer in der Liste der Hoeneß-Freunde mag sich dabei auch denken: Wenn Steuerbetrug jetzt schon bestraft wird, was soll dann aus mir werden?

Dass Hoeneß indes noch auf freiem Fuß ist, das ist keinem hart-arbeitenden Taschendieb oder anständigen Spielzeugpistolenbankräuber mehr vermittelbar. Denn wer, auch ohne Andere zu gefährden, aus einer Bank mehr Geld mitgenommen hat, als er eingezahlt hat, der kann mit Gnade und Verständnis nicht rechnen. Sicher, einen ganz wesentlichen Unterschied gibt es in jedem Fall: Ulli Hoeneß hat nicht eine private Bank, sondern das Gemeinwohl geschädigt. Dieses Verbrechen wird wiederum aber anscheinend nur dann hart bestraft, wenn es in Tateinheit mit Hartz-IV begangen wird. Dabei ist es sicher kein Zufall, dass sowohl Hartz, ebenfalls ein Verbrecher, als auch Hoeneß stets laute Vertreter einer neoliberalen Leistungsträger-Ideologie waren und noch heute sind. Als Leistungsträger sehen sie dabei sicherlich sich selbst, zumindest kann man bei ihrem Auftreten nichts Anderes annehmen. Welche Leistung sie für die Gesellschaft aber wirklich erbringen bleibt indes ungewiss.

Ullmann-Fritz_12-11-17_200x200Und dann fällt noch auf, dass die große Mehrheit der prominenten Kommentare beharrlich von einem „Fehler“ spricht. Einem höchst planvollen, langfristig angelegten und fortgesetzt durchgeführten Fehler.
Eine Sache also, die jedem mit dem entsprechenden Einkommen und einem übereifrigen Steuerberater doch passieren könnte. Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein – Und unter den Schönen und Reichen der Bundesrepublik ist die Bereitschaft, sich den ersten Stein zu nehmen und zünftig drauf los zu werfen, entsprechend unterentwickelt.

Na ja, wir Rader kennen’s ja so gut wie die Bayern und eben aus Erfahrung: So sanft wie Steuerbetrüger ab einem Wert über einer Million werden in Deutschland nur Neonazis bestraft.

Am Weltfrauentag ein Klassiker: Für die Befreiung der Frau!

Clara Zetkin

Anlässlichen des Weltfrauentages geben wir die Rede von Clara Zektin, Begründerin des Internationalen Frauentags, vor dem Internationalen Arbeiterkongreß zu Paris vom 19. Juli 1889 wieder. Der Auszug entspricht dem Wortlaut des Protokolls der Versammlung.

Es handelt sich hierbei um eine der wesentlichen und grundsätzlichen Reden zur Frage der Emanzipation und damit einen Text, der heutzutage weit mehr Beachtung verdient, als er gemeinhin erhält.

Bürgerin Zetkin, Abgeordnete der Arbeiterinnen von Berlin, ergreift unter lebhaftem Beifall das Wort über die Frage der Frauenarbeit. Sie erklärt, sie wolle keinen Bericht erstatten über die Lage der Arbeiterinnen, da diese die gleiche ist wie die der männlichen Arbeiter. Aber im Einverständnis mit ihren Auftraggeberinnen werde sie die Frage der Frauenarbeit vom prinzipiellen Standpunkt beleuchten. Da über diese Frage keine Klarheit herrsche, sei es durchaus notwendig, daß ein internationaler Arbeiterkongreß sich klipp und klar über diesen Gegenstand ausspreche, indem er die Prinzipienfrage behandelt.

Es ist – führt die Rednerin aus – nicht zu verwundern, daß die reaktionären Elemente eine reaktionäre Auffassung haben über die Frauenarbeit. Im höchsten Grade überraschend aber ist es, daß man auch im sozialistischen Lager einer irrtümlichen Auffassung begegnet, indem man die Abschaffung der Frauenarbeit verlangt. Die Frage der Frauenemanzipation, das heißt in letzter Instanz die Frage der Frauenarbeit, ist eine wirtschaftliche, und mit Recht erwartet man bei den Sozialisten ein höheres Verständnis für wirtschaftliche Fragen als das, welches sich in der eben angeführten Forderung kundgibt.

Die Sozialisten müssen wissen, daß bei der gegenwärtigen wirtschaftlichen Entwicklung die Frauenarbeit eine Notwendigkeit ist; daß die natürliche Tendenz der Frauenarbeit entweder darauf hinausgeht, daß die Arbeitszeit, welche jedes Individuum der Gesellschaft widmen muß, vermindert wird oder daß die Reichtümer der Gesellschaft wachsen; daß es nicht die Frauenarbeit an sich ist, welche durch Konkurrenz mit den männlichen Arbeitskräften die Löhne herabdrückt, sondern die Ausbeutung der Frauenarbeit durch den Kapitalisten, der sich dieselbe aneignet.

Die Sozialisten müssen vor allem wissen, daß auf der ökonomischen Abhängigkeit oder Unabhängigkeit die soziale Sklaverei oder Freiheit beruht.

Diejenigen, welche auf ihr Banner die Befreiung alles dessen, was Menschenantlitz trägt, geschrieben haben, dürfen nicht eine ganze Hälfte des Menschengeschlechtes durch wirtschaftliche Abhängigkeit zu politischer und sozialer Sklaverei verurteilen. Wie der Arbeiter vom Kapitalisten unterjocht wird, so die Frau vom Manne; und sie wird unterjocht bleiben, so- lange sie nicht wirtschaftlich unabhängig dasteht. Die Unerläßliche Bedingung für diese ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit ist die Arbeit. Will man die Frauen zu freien menschlichen Wesen, zu gleichberechtigten Mitgliedern der Gesellschaft machen wie die Männer, nun, so braucht man die Frauenarbeit weder abzuschaffen noch zu beschränken, außer in gewissen, ganz vereinzelten Ausnahmefällen.

Die Arbeiterinnen, welche nach sozialer Gleichheit streben, erwarten für ihre Emanzipation nichts von der Frauenbewegung der Bourgeoisie, welche angeblich für die Frauenrechte kämpft. Dieses Gebäude ist auf Sand gebaut und hat keine reelle Grundlage. Die Arbeiterinnen sind durchaus davon überzeugt, daß die Frage der Frauenemanzipation keine isoliert für sich bestehende ist, sondern ein Teil der großen sozialen Frage. Sie gehen sich vollkommen klare Rechenschaft darüber, daß diese Frage in der heutigen Gesellschaft nun und nimmermehr gelost werden wird, sondern erst nach einer gründlichen Umgestaltung der Gesellschaft. Die Frauenemanzipationsfrage ist ein Kind der Neuzeit, und die Maschine hat dieselbe geboren.

Emanzipation der Frau heißt die vollständige Veränderung ihrer sozialen Stellung von Grund aus, eine Revolution ihrer Rolle im Wirtschaftsleben. Die alte Form der Produktion mit ihren unvollkommenen Arbeitsmitteln fesselte die Frau an die Familie und beschränkte ihren Wirkungskreis auf das Innere ihres Hauses. Im Schoß der Familie stellte die Frau eine außerordentlich produktive Arbeitskraft dar. Sie erzeugte fast alle Gebrauchsgegenstände der Familie. Beim Stande der Produktion und des Handels von ehedem wäre es sehr schwer, wenn nicht unmöglich gewesen, diese Artikel außerhalb der Familie zu produzieren. Solange diese älteren Produktionsverhältnisse in Kraft waren, solange war die Frau wirtschaftlich produktiv …

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