LF-Interview mit Fritz Ullmann zum Start der Kampagne „Gib Antikommunismus keine Chance!“

Am 12. Juni 2020 ging die mit vom InterBündnis organisierte Kampagne „Gib Antikommunismus keine Chance!“ an die bundesweite Öffentlichkeit. Einer der 14 InitiatorInnen der Kampagne, die bereits zum Start 181 ErstunterzeichnerInnen aus einem breiten Spektrum von der/dem GeflüchtetenhelferIn bis zum Bundestagsmitglied hat, ist der LF-Stadtverordnete Fritz Ullmann aus Radevormwald. Wir nehmen den Start der Kampagne zum Anlass für ein Interview mit Fritz zu Kommunismus und Antikommunismus.

Fritz Ullmann, LF-Stadtverordneter in Radevormwald und ein Initiator der Kampagne

Redaktion: Mit dieser Kampagne stellt ihr euch mitten in das Feuer der Antikommunisten. Was wollt ihr mit dieser Kampagne erreichen, und warum jetzt?
Fritz Ullmann: Gerade jetzt fallen die im letzten Jahr begonnene Weltwirtschaftskrise und die durch die Corona-Pandemie ausgelöste akute Krise zusammen und sie verschärfen sich gegenseitig. Das Kapital reagiert darauf, indem es die im Zuge der Weltwirtschaftskrise ohnehin schon beschlossenen Maßnahmen wie Massenentlassungen nun als Folge der Pandemie kaschiert, während es sich gleichzeitig und trotzdem hunderte Milliarden öffentlicher Gelder als Hilfe auszahlen lässt.
Deswegen wird für viele Menschen natürlich klar, dass der Kapitalismus die Probleme, die er schafft, nicht lösen will und kann. Die Menschen wollen eine bessere Welt, und sie diskutieren so offen wie seit Jahrzehnten nicht über eine sozialistische Alternative zum Kapitalismus.
Das können die Monopole nicht zulassen, also wird der Antikommunismus von den Herrschenden quasi zur Staatsideologie erklärt. Das kann man nicht nur in Deutschland beobachten. Die EU setzt Kommunismus und Faschismus in vielen Punkten auf eine Stufe und ändert willkürlich die Geschichte des zweiten Weltkriegs. In Osteuropa hat der Antikommunismus auch Eingang in die Gesetzgebung gefunden, in Ländern in denen kommunistische Organisationen und ihre Symbole verboten sind und ihre Mitglieder offen verfolgt werden. Das gibt es auch in Deutschland schon. Verbote und Verfolgung richten sich noch primär gegen kommunistische Migrantinnen und Migranten. Was mit unserer und meiner persönlichen Freundin Latife in Wuppertal geschah, ist ein konkretes Beispiel, ebenso wie das willkürliche Verbot der Flaggen kurdischer Freiheitskämpferinnen und Freiheitskämpfer in Deutschland während der türkischen Invasion in Nordsyrien.
Dagegen müssen wir in die Offensive gehen und die breite gesellschaftliche Debatte über die Unfähigkeit des Kapitalismus und den Sozialismus als Alternative nutzen, um auch eine Massendiskussion über den Charakter des Antikommunismus zu entfachen.

Redaktion: Kannst du konkrete Beispiele für „antikommunistische Zensur“ nennen?
Fritz Ullmann: Ganz konkret? In Radevormwald hat die CDU-ergebene Lokalpresse (in Persona bekannt als Stefan Gilsbach) die wesentliche Beteiligung des LF an der Demonstration am 15.11.2019 gegen die AfD – die größte Demonstration in Radevormwald seit 2009 – bewusst und böswillig verschwiegen, obwohl uns selbst der Vorstand des Runden Tisches gegen Rechts, der die Demonstration angemeldet hatte, in seiner Pressemitteilung ausdrücklich gedankt hat. Ja, das gibt’s auf jedem Dorf. (Artikel der Bergischen Morgenpost, Pressemitteilung des Runden Tisches gegen Rechts, LF-Artikel)

Redaktion: Wie lange bist du schon Kommunist?
Fritz Ullmann: Seit mindestens 13 Jahren bezeichne ich mich ausdrücklich als Kommunist, aber ein kommunistisches Weltverständnis hatte ich schon mit etwa 20 entwickelt.

Redaktion: Ich habe gehört das wenn die Kommunisten an die Macht kommen, dann werden sie mir meinen Fernseher und meine Wohnung wegnehmen.
Fritz Ullmann: In erster Linie werden wir dir deine Produktionsmittel weg nehmen, wenn du dir welche privat angeeignet hast, und die in den kollektiven Besitz Aller überführen. Robin Hood für Fabriken. Die Maschinen gehören den Arbeiterinnen und Arbeitern, die sie bedienen, die an ihnen die Produkte für die Gesellschaft herstellen.
Wenn wir danach feststellen, dass Du nicht einen, sondern 27 Fernseher, nicht eine Wohnung, sondern 10 Wohnungen für dich persönlich für angemessen hältst, während andere Menschen obdachlos sind, dann reden wir sicher mit dir darüber, was wir mit den Wohnungen machen, die du nicht nutzt.
In gewisser Hinsicht ist eine tragische Komik in der Frage. Man spricht vom Wegnehmen, obwohl keiner etwas hat, das es weg zu nehmen gäbe, weil es ihnen wenige Bonzen schon weg genommen haben. Es geht um’s Zurücknehmen, von den Früchten unserer Arbeit, Wohnung, Bildung, Medizin, die jeder Mensch brauch, will und verdient.

Redaktion: Wäre es nicht einfacher, Sozialist zu sein? Denen begenet man mit weniger Hass.
Fritz Ullmann: „Die Kommunisten verschmähen es, ihre Ansichten und Absichten zu verheimlichen.“ (Anm.: Ullmann zitiert aus dem Manifest der Kommunistischen Partei, letzter Absatz) „Sozialist“ ist heute ein sehr unklarer Begriff, den jeder anders versteht und hinter dem sich alles vom verängstigten Proletarier bis zum Millionen-schweren Sozialdemokraten verbergen kann. Ich bin Kommunist und meine Politik ist eine kommunistische Politik. Wer mich unterstützt, der weiß, was er tut und warum er es tut.

Redaktion: Wie begegnet man dir im Alltag, wenn du dich als Kommunist zu erkennen gibst?
Fritz Ullmann: Ich bin eigentlich immer als Kommunist erkennbar, trage entweder roten Stern oder Hammer und Sicheĺ an der Kleidung. Ich finde, man muss damit so offensiv umgehen. Und ich muss sagen, dass ich tatsächlich zu meiner eigenen Überraschung mehr positive als negative Erfahrungen zu berichten hätte. Oft fragt man mich, ob ich Kommunist sei, nur um dann erfreut kundzutun, dass man auch einer sei. Insbesondere unter den Migrantinnen und Migranten gibt es viele Kommunistinnen und Kommunisten, die sich vor der Verfolgung in ihren Ländern hier her geflüchtet haben. Aber auch Deutsche; man merkt das nicht, weil nicht jeder immer etwas rotes an der Kleidung trägt.
Ich erinnere mich besonders an eine Situation, in der mich ein Busfahrer misstrauisch beäugte, wie ich in der Türe seines Busses stand, und mich fragte, ob ich Kommunist sei. Ich sagte, ebenfalls leicht misstrauisch „Ja, natürlich“. Darauf erklärte er zufrieden: „Gut, geh durch.“ Daraus ergab sich ein wirklich interessantes Gespräch.

Redaktion: Bist du der Meinung, dass die junge Generation anders auf Kommunisten reagiert, als die Nachkriegsgeneration?
Fritz Ullmann: Natürlich und notwendigerweise, sie lebt ja nicht in der gleichen Zeit.
Die Gesellschaft erlebt seit 2015 eine starke Polarisierung. Auf der einen Seite stehen Faschisten, Protofaschisten und ihre willigen oder auch unwissenden Helfershelfer, steht die AfD, aber auch die bürgerlichen Regierungen, die den Staatsapparat unter Anderem mit den neuen Polizeigesetzen immer weiter faschisieren. Auf der anderen Seite stehen vor allen Dingen einfache Menschen, die sich für den Erhalt der Natur und damit der natürlichen Lebensgrundlagen, eine gerechte Gesellschaft zum Beispiel in der Geflüchtetenhilfe einsetzen.
Der fortschrittliche Stimmungsumschwung dominiert in der Bevölkerung, das kann man an der Diskussion zu jeder einzelnen Frage sehen: Immer ist der Widerstand gegen Umweltverbrecher, Ausbeuter und Rassisten stärker, als deren Untestützung auf der Straße. Die Jugend ist, wie sie immer war, am aufgeschlossensten und am wenigstens Fortschritts-scheu, sie fürchtet die Veränderung nicht sondern begrüßt sie.
Dabei war die Nachkriegsgeneration in ihrer Jugend aber nicht Kommunisten-feindlich. Viele waren den Kommunistinnen und Kommunisten dankbar für die Befreiung vom Faschismus und viele haben mit ihnen zusammen gekämpft. Sonst hätte die Adenauer-Regierung keine knappe Viertelmillion Menschen bei ihrer Antikommunismus-Kampagne zu verhaften gehabt, nicht wahr?

Redaktion: Denkst du das sich die USA sich im Wandel befinden? Senator Bernie Sanders ist bekennender Sozialist und hat es wiederholt weit gebracht.
Fritz Ullmann: Sanders nennt sich Sozialist – das Problem mit dem Begriff hatten wir ja schon angesprochen. Nach unseren Maßstäben ist Sanders bestenfalls ein aufrichtiger Sozialdemokrat. Auch wenn er den Begriff „Sozialismus“ mit in die US-amerikanische Diskussion gebracht hat, so hat er auch gleichzeitig verfälscht, was das bedeutet. Was Sanders‘ „Sozialismus“ nennt, lässt sich innerhalb des kapitalistischen Marktes realisieren. Er will kaum mehr als eine „soziale Marktwirtschaft“ deutschen Typs, und in Deutschland wissen wir, wozu das führt, auch wenn es die Lage der Menschen in den USA unmittelbar deutlich verbessern würde. Aber der Erfolg von Sanders beweist auch wieder, dass die Menschen nach einer Alternative zum Kapitalismus suchen, weil sie erkannt haben, dass er von ihren Leichen lebt.
In den USA sind die Widersprüche in der Gesellschaft, zwischen den Arbeiterinnen und Arbeitern – den einfachen Menschen – auf der einen Seite, und den Monopolen – zum Teil in der Hand einzelner Überkapitalisten wie Jeff Bezos – auf der anderen Seite von vorne herein stärker ausgeprägt. Die deutschen Regierungen haben immer wieder eine Politik des Betrugs, einer vermeintlichen Klassenzusammenarbeit, versucht und in diesem Rahmen den Forderungen der Arbeiterinnen und Arbeiter auch nachgegeben. Ihr ideales Ziel ist es, die maximale Ausbeutung bei der geringsten nötigen Unterdrückung zu erreichen. Die US-Regierungen haben auf die bloße Organisation von Arbeiterinnen und Arbeitern in der Regel mit brutaler Gewalt geantwortet, wie wir sie hier in solcher Fortgesetztheit nicht erlebten. In Folge der mehrfachen gewaltsamen Zerschlagung der Arbeiterorganisationen in den USA haben die Armen heute fast nichts. Es gibt kein Sozialsystem, extreme gesellschaftliche Ungleichheit und Ungerechtigkeit, keine nennenswerte Gesundheitsversorgung – was insbesondere jetzt in der Pandemie fatale Auswirkungen hat – kein kodifiziertes Rechtssystem, keine Schulpflicht, absurde Ausbildungskosten, nicht einmal bürgerlich-demokratischen Wahlen, offen rassistische Gewalt und keinerlei Repression von Faschisten. Jetzt bricht sich das alles Bahn und wir erleben aufstandsartige Proteste überall in den USA. Das kann sich spontan weiter entwickeln und daraus kann sich sogar die Gelegenheit für eine wirkliche Revolution ergeben.

Redaktion: Bist du der Meinung, dass sich der Kommunismus wandeln muss, um sich den Realitäten der Neuzeit anzupassen?
Fritz Ullmann: Der Kommunismus war nie eine starre Sache, soweit es die Politik der Kommunistinnen und Kommunisten betrifft. Im Gegenteil hat es uns immer ausgezeichnet, dass wir neue Erkenntnisse in unserer Analyse und unserer Strategie berücksichtigen. Auch deswegen verhalten sich kommunistische Parteien, die unter verschiedensten Bedingungen arbeiten und kämpfen, nicht einfach alle gleich – das wird uns dann gerne als Inkonsequenz ausgelegt.
Was aber gleich bleibt und gleich bleiben muss ist das konsequente Streben nach der gerechten Gesellschaft, in der jeder sich nach seinen Fähigkeiten beteiligt und von der jeder nach seinen Bedürfnissen erhält. Wir fördern die Fähigkeit zu Kritik und Selbstkritik und gehen mit unseren Fehlern auf dem Weg, dieses Ziel zu erreichen, offen um.

Redaktion: Als Lokalpolitiker wäre dein tatsächlicher Einfluß aufgrund der Gesetzeslage begrenzt, was würdest du lokal ändern um trotzdem einen positiven Einfluß zu nehmen?
Fritz Ullmann: Die Gesetzeslage ist nur das Mäntelchen, unter dem man seine Herrschaft verbirgt. So lange der Kapitalismus die Gesellschaft in allen Aspekten kontrolliert, können wir keine schöne neue Welt bauen, und das verspreche ich auch nicht, wenn wir zum Stadtrat antreten. „Lokale Änderungen“ kann es in dem Sinne gar nicht geben. Wo es aber lokalen Widerstand gibt, da verbessern sich auch die Lebensumstände der Menschen.
Was wir dabei tun müssen, ist genau das, was wir in den letzten Jahren getan haben: Das undemokratische Betrugs-Theater des bürgerlichen Parlaments und seine Schauspieler entlarven. Gegen die Entscheidungen der bürgerlichen Ratsmehrheiten, die nicht im Interesse der Masse der Bevölkerung sind, den Widerstand entfachen, organisieren und stärken. An der Seite der Menschen in den Stadtteilen kämpfen wir für ihre Interessen und um ihre Rechte, aber nicht stellvertretend für sie.
So waren es dann auch die Menschen an der Wupper, mit denen wir zusammen von 2016 bis 2018 gegen die Absicht der Kreistagsparteien, die auch den Stadtrat dominieren, ihre Buslinie verteidigt haben. Mehr als verteidigt sogar – zusammen haben wir eine bessere Anbindung durchgesetzt! Die LF-Stadtratspolitik muss sich in erster Linie auf die Menschen außerhalb des Stadtrats stützen, um solche Erfolge erreichen zu können. Hätten wir die Verbesserung der Busanbindung einfach nur beantragt, dann wäre unser Antrag mit 40 zu 1 abgelehnt worden, und das wär‘s dann gewesen. Weil sich aber 1000 Menschen hinter uns gestellt haben, sind die bürgerlichen Parteien zurück geschreckt und sahen sich sogar gezwungen, uns Zugeständnisse zu machen.

Redaktion: Die CDU zieht mit „Weder Links noch Rechts“ in den Wahlkampf. Wie fühlt es sich an, wenn du mit Menschen verglichen wirst, gegen die du dein Leben lang gekämpft hast?
Fritz Ullmann: Eine besondere Bosheit des Antikommunismus bleibt es, Unterdrückte mit dem Unterdrücker und den Unterdrücker mit den Befreiern gleichzusetzen.
Die CDU vergleicht mich ausdrücklich nicht mit Faschisten, sondern setzt mich pauschal mit ihnen gleich. Würde sie mich als Kommunist mit den Faschisten vergleichen, dann müsste sie ja über unsere Inhalte reden. Täte sie das, würde für jeden offensichtlich, dass die Faschisten, die Unterdrücker, mit den Kommunisten, den Befreiern, keine einzige Gemeinsamkeit haben außer dem unvermeidbaren Kampf gegeneinander. Wenn wir mehr Freiheit fordern, fordern sie mehr Kontrolle.
Allerdings geht diese Gleichsetzung mit Faschisten nicht so weit, dass man uns wie die Faschisten im Stadtrat behandelt. Mit den vormals zu „Pro Deutschland“ gehörenden protofaschistischen Ratsmitgliedern unterhält die CDU-Fraktion mittlerweile schamlos Beziehungen, während eine Zusammenarbeit mit dem LF nach wie vor aus ideologischen Gründen grundsätzlich ausgeschlossen wird. Die Doppelzüngigkeit, die sich darin offenbart, ist schon plump dreist.

Redaktion: Denkst du, dass real durchgesetzter Antikommunismus zu einer Regression der Rechte der Bürger führen wird? Viele Dinge, die wir für normal halten, zum Beispiel Gewerkschaften, wären ohne Kommunistinnen und Kommunisten undenkbar gewesen.
Fritz Ullmann: „Der Antikommunismus ist niemals etwas anderes gewesen, als die billige Ausrede, um jede Verbesserung der menschlichen Lage in Verruf zu bringen.“ Das sagte der Schriftsteller Luiz Heinrich Mann, der ältere Bruder von Thomas Mann, dazu, und das stimmt nach wie vor. Der Antikommunismus ist eine Realität, seit es den Kommunismus gibt, und ist die vom bürgerlichen Staat propagierte Norm, ob in Kaiserreich, Weimarer Republik, 3. Reich oder Bundesrepublik. Was die Arbeiterbewegung erreicht hat – Gewerkschaften, ArbeiterInnenrechte, Mindestlohn, Arbeitszeitbegrenzung, Arbeitssicherheit, soziale Sicherungssysteme – das haben wir immer gegen den Antikommunismus erkämpft. Heute versucht der Antikommunismus, Kommunistinnen und Kommunisten aus den sozialen Protestbewegungen zu verdrängen, sie zu spalten und so zu untergraben. Solche Versuche gab es zum Beispiel bundesweit während der Fridays-for-Future-Proteste, wo im offenen Widerspruch zu den bürgerlichen Grundrechten versucht wurde, ein Verbot kommunistischer und sozialistischer Flaggen zu erzwingen. Das konnten wir mit unseren Bündnispartnern in einer langen Auseinandersetzung letztlich beenden.
Also ja: Wo der Antikommunismus die Oberhand gewinnt, da verlieren wir alle.


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