ein Artikel von Fritz Ullmann
Am heutigen 24. Januar 2020 fanden in mehreren Städten im Bundesgebiet Mahnwachen unter dem Oberbegriff „Fridays gegen Altersarmut“ statt. Diese Kundgebungen distanzierten sich im Wort von jeder parteipolitischen Einflussnahme und, so betonen die Rader Teilnehmer, rechtsextremen Inhalten – in der Praxis aber war eine Abgrenzung zum rechten Rand hin vielerorts nicht zu erkennen. So war es dann auch in Radevormwald.
Geringe Beteiligung mit starkem rechten Anteil
Altersarmut – ein reales Problem. Wie in vielen anderen sozialen Fragen versuchen natürlich auch hier, Rechte unter dem Deckmantel dieser Fragen zu agieren. „Fridays gegen Altersarmut“ steht auf Grund der Mobilisierung aus der rechten Szene unter dem Verdacht, ein solches blau-braunes U-Boot zu sein. Das LF hatte daher in Absprache mit dem Vorstand des Runden Tisches gegen Rechts die Mahnwache beobachtet und fotografisch sowie mit Video dokumentiert. Die Mahnwache erreichte keine große Wirkung; in der Spitze nahmen 13 Personen teil, von denen mindestens 4 dem neofaschistischen bzw. protofaschistischen Umfeld zuzurechnen sind. Die Teilnehmer standen in ein bis zwei Gruppen zusammen und unterhielten sich vorwiegend mit einander.
Ich hatte im Vorfeld Gelegenheit, mit der Anmelderin, Katja Behrens, zu sprechen. Sie erklärte, dass es ihr ausschließlich darum ginge, Aufmerksamkeit für das Problem der Altersarmut herzustellen, und in dieser Sache kein politisches Thema sehe, insbesondere kein parteipolitisches Thema. Gegen Rechts habe sich die Gruppe ausdrücklich verwahrt. Zu ihrem eigenen politischen Hintergrund sagte sie sonst nichts; sie sei seit etwa 2,5 Jahren politisch interessiert. Mit Ausländern habe sie kein Problem, sei mit vielen befreundet – wobei selbst ihre türkischen Freunde sie fragen würden, warum sich die Deutschen ihr Land weg nehmen ließen. Auf ihrem Facebook-Profil findet sich, sehr im Einklang mit dieser Aussage, dann auch einiges an AfD-Propaganda.
Begleitet wurde der Protest von dem Radevormwalder Neofaschisten Carsten Jahn, lange Jahre NPD-Funktionär, dann Mitglied der NPD-Abspaltung SHP und jetzt als angeblich „Ideologie-freier“ Youtuber aktiv – unter dem natürlich ebenfalls gänzlich Ideologie-freien Oberbegriff „Team Heimat“. Eine heutzutage keinesfalls unübliche Biographie. Er war von Anfang bis kurz vor Ende anwesend und nahm einen Livestream auf.
Später gesellte sich noch der Fraktionsvorsitzende der protofaschistischen „Fraktion ‚pro Deutschland‘ im Rat der Stadt Radevormwald“, Udo Schäfer (ehem. DVU, ehem. pro NRW, ehem. pro Deutschland [offiziell seit November 2017 als Partei aufgelöst]), zur Mahnwache. Der einzig andere politische Vertreter, der sich kurzzeitig zu den Teilnehmern der Mahnwache gesellte, war das FDP-Ratsmitglied und Schatzmeister des FDP-Ortsverbands, Rainer Röhlig.
So viel Öffentlichkeit möchte man dann doch nicht…
Direkt zu Beginn der Kundgebung hatten zwei Teilnehmer der Mahnwache ein Problem damit, dass diese öffentliche Veranstaltung durch uns öffentlich dokumentiert wurde. Sie wollten nicht aufgenommen werden, ein Herr mit roter Jacke drohte mit der Polizei und versuchte, die Kamera zu blockieren, bis er und sein Kollege von Herrn Jahn zurück gerufen wurden, als dieser seinerseits unsere Videoaufnahmen in seinem Livestream dokumentieren wollte. Danach ereigneten sich keine weiteren Zwischenfälle mit Teilnehmern der Mahnwache; Führerbefehle werden nach wie vor befolgt.
Keine Abgrenzung von faschistoiden Teilnehmern und Politikern
Auf die anteilsmäßig große Teilnahme von bekannten Neo- und Protofaschisten bei der Mahnwache angesprochen, distanzierten sich die Teilnehmer nicht mehr ausdrücklich. Die Versammlungsleiterin erklärte, dies sei eine öffentliche Versammlung, daher könne man niemanden ausschließen, der sich zum Anliegen der Mahnwache bekennt. Jeder, der dieses Anliegen teilt, sei willkommen und stärke das Anliegen. Außerdem könnte man den Teilnehmern nicht in den Kopf schauen und nicht wissen, ob jemand rechtsextrem sei.
Das erscheint wenig überzeugend, denn gleichzeitig erklärte sie, dass sie im Vorfeld jede Fraktion im Rat zu erreichen versuchte, und unter Anderem Herrn Schäfer erreichte. Wie es vereinbar ist, sich gegen Rechts abzugrenzen, einen protofaschistischen Funktionär wie Herrn Schäfer jedoch selbst einzuladen, dazu sagte sie konkret nichts. Wenn Rechtsextremisten sich beteiligten, vor Ort aber nichts rechtsextremes äußern würden, dann sei ihre Teilnahme ja kein Problem.
Trotz aller Bekundungen, sich nach Rechts abzugrenzen, blieb also genau diese Abgrenzung nach Rechts aus. Das kann nicht überraschen, wenn die Anmelderin selbst im Umfeld der protofaschistischen AfD anzusiedeln ist, in der sich mit Menschen wie dem thüringer Landes-Chef der Partei Höcke und seiner innerparteilichen Fraktion „Der Flügel“ auch unzweifelhafte Faschisten tummeln.
Dass sich die Teilnehmer der heutigen Mahnwache in Radevormwald, ob willentlich oder unwillentlich, bewusst oder unbewusst, heute somit selbst in die rechte Ecke gestellt haben, muss man einfach feststellen. Es bleibt den Teilnehmern überlassen, ob sie sich von diesen Demokratiefeinden zumindest im Nachhinein zu distanzieren. Tun sie nicht einmal das, dann ist die angebliche Abgrenzung nach Rechts eben nur das: Ein bedeutungsloses Lippenbekenntnis.