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Protest gegen Pfändung von Sozialleistungen vor Sparkasse: § 904 (5) ZPO ist gegen die Ärmsten der Armen gerichtet

Mehrere LF-Aktivist:innen und Unterstützer:innen protestierten am 28. März 2022 ab 16 Uhr gegen die Pfändung von Sozialleistungen vor der Sparkasse in Radevormwald und erreichten dabei viele Anwohner und Sparkassen-Kunden.

Anlass war die Situation unseres ehem. Stadtverordneten Fritz Ullmann, der im letzten Jahr Hartz IV beantragen musste und im Januar diesen Jahres nach mehrmonatiger Wartezeit eine Nachzahlung erhielt, die von der Sparkasse zur Pfändung gesperrt wurde. Hintergrund ist eine Gesetzesänderung, die im Dezember 2021 wirksam wurde.

Gesetz gegen Arme mitten in Weltwirtschaftskrise und Pandemie

Durch eine Veränderung in § 904 (5) ZPO wird der Pfändungsfreibetrag für die „Empfänger von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß ALG II“ faktisch aufgehoben. Im Falle von Nachzahlungen – die sich oft auch daraus ergeben, dass Anträge durch die Behörde schleppend bearbeitet werden – wurden diese über die Zahl der Monate geteilt und verblieben damit in der Regel unter dem Pfändungsfreibetrag. Daran hat sich nichts geändert, aber: Jetzt gilt diese Regelung nur noch auf Antrag! Diese Neuregelung ist pure Schikane und verursacht nicht zuletzt den Gerichten völlig unnötigen Aufwand. Es stellt einfach nur eine neue Hürde dar, und das in einer Zeit, in der die Menschen durch Inflation und Preissteigerung verschärft in die Armut getrieben werden.

Betroffene müssen Folgendes tun:

  • Zum Amtsgericht (Wipperfürth) und dort unter Verweis auf § 904 ZPO beantragen, dass der Pfändungsfreibetrag für den Monat des Zuflusses der Nachzahlung auf die Höhe der Nachzahlung festgelegt wird.
  • Die eigene Bank darüber informieren, damit die Nachzahlung nicht abgeführt wird.

Das LF nimmt Stellung:

  • Keine Pfändung von Sozialleistungen!
  • Das Gesetz schafft nur eine zusätzliche Hürde und unnötigen bürokratischen Aufwand – Dieses asoziale Gesetz muss weg!
  • Du bist nicht alleine: Wir rufen die Betroffenen auf, sich über info@linkes-forum.de bei uns zu melden und wollen dabei helfen, dass sich die Betroffenen gegenseitig unterstützen.
  • Wir arbeiten mit Bündnis-Partnern, unter anderem zur Bundesweiten Montagsdemobewegung, zusammen, um den Kampf gegen dieses Gesetz zum bundesweiten Thema zu machen.

Hier kann diese Pressemitteilung zur Weiterverbreitung als PDF herunter geladen werden.

Kundgebung! § 904 ZPO – LF lehnt neues Gesetz zur Pfändung von Sozialleistungen ab!

Seit Januar diesen Jahres kämpft unser ehemaliger Stadtverordneter im Rat der Stadt Radevormwald (2009 – 2020) und Gesamtvorstandsmitglied, Fritz Ullmann, um die Freigabe einer Nachzahlung vom JobCenter gegen die Sparkasse Radevormwald.

Ullmann kam in eine schwierige Lage und hatte monatelang auf die Zahlung der Leistungen warten müssen, weswegen ein höherer Betrag nachgezahlt wurde. Die Sparkasse hat diese Sozialleistungen gesperrt, um Pfändungen zu bedienen. Grundlage ist eine Veränderung des Gesetzes in § 904 ZPO, die ausschließlich im Interesse der Gläubiger ist, denn viele Menschen sind überschuldet und könnten sich sonst ja hinter ihrem Grundrecht auf ein Lebensminimum verstecken.

Ullmann berichtet von seinen Erfahrungen in einem Offenen Brief, den wir hier bereits veröffentlicht haben. Dort heißt es unter Anderem: „Anstatt sachkundiger Beratung gab es heuchlerische Erpressung: Man sehe sich als Vertreter der Gläubiger, die ein Recht auf ihr Geld hätten, und man sei (großzügig!) bereit, das Konto frei zu geben, wenn die Pfändungen von den eingegangenen Sozialleistungen völlig beglichen würden (ich hätte ja genug).“ Auch heute, nach zwei Urteilen zu seinen Gunsten, hat Ullmann sein Geld immer noch nicht von der Sparkasse erhalten. Dem LF gegenüber begründet Ullmann, warum er sich auf das „Angebot“ der Sparkasse nicht einließ:

„Die intransparente Hinhaltetaktik der Sparkasse ist menschenverachtend. Wenn die das mit mir machen, machen die das auch mit anderen.“

Wir erklären uns mit unserem Mitglied und langjährigen Stadtverordneten Fritz Ullmann solidarisch. Wir kritisieren ausdrücklich das Vorgehen der Sparkasse und fordern den Vorstand zu einer Entschuldigung auf. Die Sparkasse muss den Vorfall aufarbeiten und vor allen Dingen ihre Mitarbeiter anweisen, korrekt Auskunft an Betroffene zu erteilen.

Kundgebung: Wir rufen zum Protest auf „Gegen die Pfändung von Sozialleistungen!“
Montag, 28. März, 16 Uhr – vor der Sparkasse, Hohenfuhrstr. 19-21

Wir sagen:

  • Keine Pfändung von Sozialleistungen!
  • Das Gesetz schafft nur eine zusätzliche Hürde und vermeidbaren bürokratischen Aufwand!
  • Dieses Gesetz muss weg!

Hier kann das Flugblatt mit der Erklärung als PDF herunter geladen und weiterverbreitet werden.

Offener Brief von Fritz Ullmann: Jetzt neu – Pfändung von Sozialleistungen!

Gesetzesänderung hebt Pfändungsfreibeträge für die Ärmsten faktisch auf – und die Sparkasse in Radevormwald ist „Vertreter der Gläubiger“

2021 waren 6,16 Millionen Privatpersonen in Deutschland überschuldet (8,86%) – 3,08 Millionen Haushalte. 32% der Haushalte müssen Einkommenseinbußen durch diverse Systemkrisen verkraften. Sie treiben uns in die Armut, es gibt keinen Grund für Scham: Jedem kann das passieren. Auch mir.

Im letzten Jahr ging es nicht mehr weiter: Nach mehrmonatigem Bemühen um „Leistungen zum Lebensunterhalt gem. ALG II“ (Hartz IV) erhielt ich im Januar 22 endlich meinen Bewilligungsbescheid. Solche Verzögerungen, ohne es an dieser Stelle weiter bewerten zu wollen, kommen vor. Schulden und ein Pfändungsschutz-Konto (P-Konto) waren ebenfalls mein Eigen. Ich erhielt mehrere Tausend Euro durch die mehrmonatige Nachzahlung. Bitter nötig, denn in der Zwischenzeit musste ich mir Geld leihen, um zu überleben. Dann aber: Das Geld ist gesperrt! Ich bemühte mich um Klärung, aber die Mitarbeiter der Sparkasse Radevormwald lehnten den Bewilligungsbescheid als Nachweis, dass es sich um Sozialleistungen handelte, ab und verlangten stattdessen eine Auskunft des JobCenters (die dieses übrigens noch am selben Tag erteilte). Danach forderten sie den zuvor abgelehnten Bewilligungsbescheid „nach“ – um dann schließlich zu erklären, dass Geld sei so oder so zu pfänden. Anstatt sachkundiger Beratung gab es heuchlerische Erpressung: Man sehe sich als Vertreter der Gläubiger, die ein Recht auf ihr Geld hätten, und sei (großzügig!) bereit, das Konto frei zu geben, wenn die Pfändungen von den eingegangenen Sozialleistungen völlig beglichen würden (ich hätte ja genug).

„Niemand sagt dir das“ – asoziale Änderung in § 904 ZPO

Bis Ende letzten Jahres wurde der Pfändungsfreibetrag über die Monate der Nachzahlung gerechnet. Dann aber bleibt nichts für die Gläubiger, also hilft der Gesetzgeber: Jetzt sind Sozialleistungen, wenn sie aus Nachzahlungen des JobCenters stammen, vor Pfändung nicht mehr automatisch geschützt. Seit Dezember letzten Jahres muss ein angehender Leistungsempfänger, wenn er auf eine Nachzahlung über mehrere Monate wartet und Pfändungen zu fürchten hat, zum Amtsgericht und dort seinen Pfändungsfreibetrag individuell festlegen lassen; insofern ist der Pfändungsfreibetrag für die Ärmsten der Armen aufgehoben. Betroffene müssen ihr Lebensminimum nun eigeninitiativ verteidigen. Ganz nebenbei bedeutet diese Änderung einen erheblichen Mehraufwand für alle Beteiligten. Auch das „P-Konto“ (welches sich die Sparkasse übrigens wegen eines vermeintlichen und nie näher konkretisierten Mehraufwands teuer bezahlen lässt) schützt davor nicht. Es bedürfte hartnäckigen Nachfragens, um von der Sparkasse überhaupt eine Begründung zu erhalten.

Sparkasse Radevormwald leistet hinhaltenden Widerstand

Nachdem eine Einigung mit der Sparkasse offensichtlich unmöglich war und ich mir einige Unverschämtheiten von ihren „Kundenberatern“ anhören musste, blieb mir nur der Weg vor Gericht. Am 2.2.2022 urteilte das Amtsgericht (AG) Wipperfürth weitgehender, als von mir erhofft: Die Zwangsvollstreckung sei ohne Sicherheiten einstweilen auszusetzen. Anstatt mein Geld frei zu geben, interpretierte die Sparkasse dieses Urteil mutwillig anders, nämlich dass weder ich, noch die Gläubiger das Geld bekämen. Dieses schwer nach Rechtsbeugung stinkende Verhalten machte es nötig, das Gericht wieder einzuschalten: Am 2.3. entschied es erneut zu meinen Gunsten, dieses Mal legte es den Pfändungsfreibetrag des Monats Januar (als die Nachzahlung auf meinem Konto einging) auf die Höhe der Nachzahlung fest (übrigens im Einvernehmen mit den Gläubigern, als deren Vertreter sich die Sparkasse Radevormwald mit ihrem schikanösen Verhalten sieht). Heute, nachdem das Urteil schon seit Tagen wirksam ist, hat die Sparkasse mein Geld noch nicht frei gegeben. Obwohl die Sparkasse das Urteil erhalten hat, verlangt sie nun noch eine Bestätigung des Gerichts, dass das Urteil rechtskräftig sei.

Radevormwald, Freitag, 25. März 2022

gez.
Fritz Ullmann, ehem. Stadtverordneter (LF)

Wahlprüfsteine des rga: 3. Ein Ort für Familien

Wir veröffentlichen hier unsere Antwort in voller Länge – jeden Tag eine weitere bis zur Wahl!

3. Frage: Wie lockt man – und hält man – junge Familien in die/der Bergstadt?

Es ist nicht sinnvoll, junge Familien „anzulocken“, um die jungen Menschen auszugleichen, die unsere Stadt verlassen, sobald sie alt genug sind. Sie gehen, weil die Stadt kein guter Ort zum Leben für sie ist. Die Stadt muss also so gestaltet werden, dass sie allen Menschen gute Lebensbedingungen bietet. Das heißt: Die städtischen Dienstleistungen müssen funktionieren und die Grundbedürfnisse der Bevölkerung gedeckt werden – Mobilität, Wohnen, soziale Sicherheit, Kultur, Entspannung.

Wenn das der Fall ist, wollen Menschen Radevormwald gar nicht mehr verlassen, ob nun jung oder alt. Ohne diese Grundlagen allerdings macht es für eine nachhaltige Stadtentwicklung keinen Sinn, Luxusprojekte anzufassen. Die Ratsmehrheit befasst sich natürlich lieber mit den schönen neuen Dingen, ohne die alten Probleme zu lösen – auch wenn sie im Wahlkampf alle darüber reden. Es werden Paläste auf Sand gebaut.

Die Situation in der Südstadt oder auf der Brede muss gelöst werden, denn das sind die Wohnquartiere der einfachen Arbeiterinnen und Arbeiter. Da wird zugelassen, dass verantwortungslose und profitgierige Spekulanten als „Investoren“ auftreten und die Immobilien so wie auch ihre Mieter ausplündern, ohne eine Gegenleistung zu erbringen – und teilweise schämt man sich nicht, solche Vorgänge wie eine Art Rettung für die Mieter zu feiern.

Man baut auch eine Stadt von unten nach oben auf. Deswegen stellen wir das geplante Neubaugebiet Karthausen auch den verfallenden Wohnquartieren gegenüber und kümmern uns um den öffentlichen Nahverkehr anstatt um mehr Parkplätze: Erst muss es angemessenen Wohnraum und die Infrastruktur für die Mehrheit der Menschen geben, bevor wir den relativ Privilegierten Platz für ihre neuen Einfamilienhäuser machen dürfen – und das könnten wir übrigens, ohne neue Flächen zu versiegeln.

Wahlprüfsteine des rga: 2. Schuldenfrei

Wir veröffentlichen hier unsere Antwort in voller Länge – jeden Tag eine weitere bis zur Wahl!

2. Frage: Wie wird Radevormwald schuldenfrei?

Nach Jahrzehnten einer verantwortungslosen und kurzfristig angelegten Finanzpolitik durch die großen Parteien im Stadtrat, aber auch einer die Bedürfnisse der Kommunen missachtenden Bundes- und Landespolitik, ist Radevormwald nicht mehr in der Lage, ohne massivste Einschränkungen in einem angemessenen Zeitraum schuldenfrei zu werden. Unserer Ansicht nach ist der einzig wirklich gangbare Weg ein Schuldenschnitt für die Kommunen insgesamt. Wir verschlimmern die Situation, wenn wir die Stadt auf der einen Seite kaputt sparen und auf der anderen Seite aus angeblich leeren Kassen Millionen Euro kurzfristig für unnütze Prestige-Projekte verfügbar machen. Die Politik verliert so – zu Recht – jede Glaubwürdigkeit. Den vermeintlich verlockenden Sonderangeboten der Förderprogramme muss man widerstehen, denn selbst wenn ein Projekt, das wir nicht brauchen, zu 70% gefördert wird, muss Radevormwald trotzdem die übrigen 30% aus der Stadtkasse bezahlen, während die Einwohner der Stadt auch die anderen 70% durch ihre Steuern finanzieren.

Die Stadt ist vor allen Dingen ein wichtiger Dienstleister der Menschen in der Kommune, und ihre Leistungsfähigkeit bestimmt die Lebensqualität der Bevölkerung wesentlich mit. Die Einwohner sind es aber, die letztlich die Stadtkasse füllen. Massive Einsparung verschlechtern also die Bedingungen, unter denen die Stadt versuchen muss, ihre Schulden zurück zu zahlen. Das ist kurzfristig gedacht. Radevormwald muss sich auf die Zukunft ausrichten, und das erfordert es, dass wir Investitionen nicht aus Prinzip vermeiden, eine angemessene Beteiligung der Gewerbe durch eine Anhebung der Gewerbesteuer nicht scheuen und selbsttragende Projekte ohne Gewinnschöpfungsabsicht initiieren.

Wir sagen: Gerade in dieser Phase der hohen Schuldenbelastung und einer tiefen Krise des kapitalistischen Weltwirtschaftssystems müssen wir kommunale Strukturen schaffen, sowohl durch deren Aufbau als auch durch Rekommunalisierungen um Stabilität überhaupt herstellen zu können.