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Radevormwald: CDU, SPD, Grüne und „pro Deutschland“ schränken das Rederecht kleinerer Parteien im Rat ein

Wie erwartet hat die Radevormwalder inoffizielle Groko aus CDU und ihrem Anhang SPD in der letzten Ratssitzung die Geschäftsordnung massiv geändert, um sich undemokratische Vorteile in den Debatten im Rat zu verschaffen. Konkret wurde das Rederecht zum Vorteil der großen Fraktionen geändert und den einfachen Ratsmitgliedern das Recht genommen, geheime oder namentliche Abstimmung zu einem Tagesordnungspunkt zu beantragen. Hierüber kann künftig nur noch die Ratsmehrheit entscheiden.

Gleichzeitig wurde ein absurder Strafenkatalog eingeführt, mit dem Ratsmitglieder für „ungebührliches Verhalten“ für insgesamt drei Sitzungen (ca. 6 Monate) aus dem Rat verbannt und ihre Gelder einbehalten werden können. Zwar hat das LF in der laufenden Ratsperiode keinen Anspruch auf Mittel zur Geschäftsführung geltend gemacht, aber offensichtlich unterstellt man implizit allen anderen Ratsmitgliedern, ebenfalls nur des Geldes wegen an den Sitzungen des Rates teilzunehmen. Was ungebührlich ist, das soll übrigens die Ratsmehrheit (aktuell von CDU und SPD) entscheiden. Aber auch das Verhalten der Grünen und der Presse gibt Anlass zur Sorge.

„Sie tun so, als gäbe es aktuell keine Redezeitbegrenzung.“

Im Rat: Lange Debatte ohne inhaltliche Auseinandersetzung mit der Kritik

Die Debatte zur Änderung der Geschäftsordnung war vor allen Dingen von Arroganz und Ignoranz gekennzeichnet. Die Argumentationen von CDU und SPD beschränkten sich auf bloße Behauptungen und Rechenspielereien. Auf Fragen und Kritik an ihrem Vorstoß gingen weder SPD noch CDU ein (Hierzu veröffentlichen wir in Kürze die Rede unseres Stadtverordneten, Fritz Ullmann). Es wurden Ordnung und Disziplin beschworen – wie der Antrag von CDU und SPD die allerdings erreichen soll, dazu äußerten sich die beiden Fraktionen mit keinem Wort. Unsachlichkeit prägte ihr gesamtes Auftreten: Der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Dietmar Busch, warf der AL Fraktion vor, sie würden sich bis zu 50 Mal in einer Ratssitzung melden. Ullmann konterte noch in der Sitzung: „Sie tun so, Herr Busch, als gäbe es aktuell keine Redezeitbegrenzung. Die existiert, sie liegt bei 10 Minuten. Wenn sie der Alternativen Liste jetzt 50 Wortmeldungen pro Sitzung vorwerfen, dann möchte ich an dieser Stelle die Frage an sie richten: Wie viele Wortmeldungen sollte eine Fraktion bei einer Tagesordnung mit durchschnittlich 32 Tagesordnungspunkten genau bringen? Was halten sie da für angemessen? Weil meiner Rechnung nach hat die AL dann im Durchschnitt weniger als zwei Mal pro Tagesordnungspunkt gesprochen (Anm.: Der Antrag von CDU und SPD reduzierte die Zahl der zulässigen Wortmeldungen pro Tagesordnungspunkt und Ratsmitglied auf 2). Deswegen verstehe ich also ihre Kritik auch sachlich nicht. Da müssten Sie mir nochmal wirklich sagen, wie sie sich das vorstellen.“ Busch antwortete, natürlich, nicht.

Wie soll’s laufen – LF stellt Frage nach der Praxis

Ullmann führte weiter in der Debatte aus: „Ich möchte sie aber auch bitten, beantworten sie doch mal die Frage nach der Praxis. Im Ernst, wie soll’s laufen? Sie können nicht einfach sagen, Andere schaffen das schon, denn irgendwie muss es gehen. Sie wollen diese Geschäftsordnung jetzt ja nicht nur ändern, sondern sie wollen sie künftig auch rigoros durchsetzten, denke ich – was in der Vergangenheit nicht getan wurde. Denn auch wenn wir schon eine Redezeitbegrenzung hatten, ist da keiner mit der Stoppuhr rum gelaufen. Also wie wollen sie das gewährleisten?“ Busch nutzte auch diese Gelegenheit nicht, die angeblich so wirren und populistischen Fragen der Kritiker zu entkräften. Sein SPD-Kollege Dietmar Stark verzichtete ebenfalls und beschränkte sich auf ausladende Rechenspielerei und oberflächliche Polemik, mit der er von jeder Logik unbeeindruckt allen Erklärungen der Kritiker einfach nur widersprach. Ullmann setzte nach und zeigte die irrwitzige Heuchelei der noch-großen Parteien auf: „Lieber Herr Kollege Stark, sie haben es mit ihrer Rede auf 8 Minuten und 36 Sekunden gebracht. Das wollte ich nur in diesem Zusammenhang mitteilen; und was ich bedauerlich finde, sie haben es in diesen 8 Minuten und 36 Sekunden nicht einmal geschafft, auf die Frage nach der Praxis zu antworten und zu erläutern, wie die Durchsetzung ihres Antrages eigentlich genau von statten gehen soll. Ich denke, dass ihre Rede tatsächlich ein schönes Beispiel dafür ist, was sie hier heute tun.

CDU und SPD preschen antidemokratisch vor – aber die Grünen sind ihnen auf den Fersen

Große Verwunderung und eine gewisse Verwirrung löste ein spontan eingebrachter Antrag der Grünen aus. Er lag offensichtlich nur dem Bürgermeister und den Grünen selbst vor. Die Grünen forderten, das Mitbringen u.a. von Bannern und Plakaten künftig zu verbieten. Für einen solchen Antrag gibt es nicht den geringsten Anlass, denn nicht nur ist es niemals vorgekommen, dass Besucher politische Forderungen im Ratssaal mit einem Transparent enthüllt hätten – es ist dem Publikum allgemein und nicht nur in Radevormwald verboten, sich während einer Ratssitzung in irgendeiner Form zu äußern. Für das LF erklärte Ullmann: „Ich halte diese Verbote allgemein für falsch und ich finde es jetzt doch etwas erschreckend, dass gerade die sich basisdemokratisch nennenden Grünen als ehemalige Aktivistenpartei ausdrücklich solche Methoden verbieten wollen. Das kann ich jetzt ideologisch nicht nachvollziehen. Warum stellen sie so einen Antrag?“

Die Grünen lehnten die Gelegenheit, ihren Antrag inhaltlich zu begründen, daraufhin ausdrücklich gegenüber dem Bürgermeister ab. Wenn diese Mauer des Schweigens in Deutschland schon als Regierungspolitik bezeichnet werden kann, dann müsste man wohl annehmen, dass die Grünen sich in Anbetracht ihres Höhenfluges in der Wählergunst auf die Regierungsfähigkeit vorbereiten wollen. Dieses Verhalten jedenfalls kann nur eine bitteren Enttäuschung der Grünen-Anhänger sein.

Die Presse auf Seiten der Autokraten

Bereits im Vorfeld der Ratssitzung machte auch der Hauptverantwortliche der Bergischen Morgenpost, der Redakteur Stefan Gilsbach, mit seinen Artikeln fleissig Stadt-Politik. Natürlich steht ihm eine persönliche Meinung zu, es ist aber keinesfalls ein Ausdruck von Pressefreiheit, wenn Herr Gilsbach sich nicht nur direkt zu einzelnen Fragen der Ratsarbeit äußert, sondern hierbei auch auffällig tendenziös ist. Bezeichnend für diese Berichterstattung vor und nach dieser Ratssitzung war, dass Herr Gilsbach nicht nur im Sinne von CDU, SPD und Grünen argumentierte, sondern vor allen Dingen den Inhalt der Kritik an ihrem Antrag verschwieg. Da wurden keine Sachargumente, wie sie LF, AL und sogar UWG vorbrachten, wiedergegeben, sondern ausschließlich unser aller gemeinsame Schlussfolgerung: Dass dieses Verhalten der großen Parteien höchst undemokratisch ist. Und damit stellt Gilsbach die Debatte falsch dar, als hätten wir alle diese Schlussfolgerung überhaupt nicht begründet, und übernimmt die Behauptungen von CDU, SPD und Grünen ungeprüft und unreflektiert.

Gilsbach schien es sich dabei zu einer persönlichen Angelegenheit zu machen, die Anträge der Antidemokratischen Koalition weiter zu interpretieren. Den Antrag der Grünen bezog er in seinem Artikel über die Ratssitzung auf Fritz Ullmann, der Wortmeldungen während der Ratssitzung mit einer kleinen Flagge anzeigt. Dazu sagt Ullmann: „Ich sehe nicht, wie der Antrag mich auch nur berührt. Ich bin nicht Teil des Publikums und Ratsmitglieder kann man nicht derartig einschränken. Ich glaube auch nicht, dass die Grünen nun immer ihre Parteilogos von ihren Laptops knibbeln möchten, bevor sie zu einer Ratssitzung kommen.“ Zu der Frage, wie es überhaupt dazu kam, dass er eine Flagge in der Ratssitzung benutzt, hat Ullmann eine kleine Anektdote. „In einer der ersten Ratssitzungen dieser Periode hat der Bürgermeister meine Wortmeldungen immer wieder übersehen. Als ich mich beschwerte, erklärte er dies mit meinem Platz in der Sitzordnung; ich sitze in der vierten Reihe außen links. Ansonsten müsste ich mir eine Fahne holen, damit man mich besser sieht. Also holte ich eine Fahne. Der Bürgermeister hat dies akzeptiert und mich seither in der Regel auch auf die Rednerliste genommen.“

Anzumerken wäre noch, dass neben der CDU, der SPD und den Grünen natürlich auch die Protofaschisten der ehemaligen „proDeutschland“-Fraktion um Udo Schäfer für den Antrag stimmten. Alle anderen Gruppen im Rat stimmten gegen den Antrag.

 

Radevormwald: Fraktionen wollen 2017 drei Mal so viel Geld ausgeben

Ullmann warnt: Erhöhung nicht nur unberechtigt, sondern auch unrechtmäßig!

mehr-geld-fuer-die-politikDas LINKE FORUM (LF) hat in der 8. Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses vom 06.12.2016 beantragt, die Entscheidung über die Erhöhung der Zuwendungen an Fraktionen und Fraktionslose zu vertagen, bis der tatsächliche Bedarf ermittelt und einige konkretere Fragen beantwortet wurden. Der Antrag wurde abgelehnt. Die Fraktionen wollen sich ihre Bezüge verdreifachen – und weigern sich gleichzeitig, ihren Bedarf prüfen zu lassen. Bis auf die AL stimmte keine Fraktion unserem Antrag zu. Die Entscheidung liegt nun beim Stadtrat am 13.12.2016.

Die Ermittlung des Bedarfs ist dabei keine Kleinigkeit, sondern eine zwingende Voraussetzung für eine solche Änderung. Besonders, wenn die Kosten durch die Entscheidung von ca. € 9.000 auf bis zu € 31.000 ansteigen werden – auf mehr als 300%. So war aus einer aktualisierten Tischvorlage der Verwaltung zum Haushalt des nächsten Jahres zu ersehen.

Wurde gar nicht geprüft? (Dr. Michalides)

Konkret beantragte das LF, „die Verwaltung zu beauftragen, den tatsächlichen Bedarf der Fraktionen anhand der vorliegenden Abrechnungen seit 2009 (letzter Änderung der Fraktionszuwendungen) zu prüfen.“ Dabei handelt es sich eigentlich um keine freiwillige Entscheidung. Will sich ein Stadtrat mehr Geld genehmigen, so muss er eine solche Prüfung vornehmen. Der bloße Vergleich mit anderen Städten ist dabei ausdrücklich unzulässig. So regelt es der Erlass „Zuwendungen kommunaler Körperschaften an Fraktionen und Vertretungen“ (hier herunterladen) (S. 7, Punkt 4.), auf den sich der Ältestenrat bei der geplanten Erhöhung selbst beruft.

In diesem Geheimrat wurde hinter verschlossenen Türen, zwischen Bürgermeister und Fraktionsvorsitzenden und unter Ausschluss selbst der Ratsmitglieder, über die Erhöhung diskutiert, bevor sie die Verwaltung dem Hauptausschuss vorlegte. “Wenn diese Verdreifachung der Zuwendungen irgendwie gerechtfertigt ist, dann stellt sich doch die Frage, wie die Fraktionen bisher ihren Aufgaben überhaupt angemessen nachkommen konnten.“ Deswegen müssten ihre Abrechnungen geprüft werden, bekräftigte Fritz Ullmann, Stadtverordneter des LF.

Selbst-Alimentierung ist unsäglich. (AL)

Die Diskussion zu unserem und dem Antrag von Dr. Axel Michalides, der sich zumindest gegen eine derartig drastische Erhöhung aussprach, entwickelte sich energisch. Für die AL machte Rolf Ebbinghaus klar: „Die Selbst-Alimentierung von Gremien ist völlig falsch, der Gesetzgeber müsste hier dringend handeln!

Dr. Michalides fragte nach: „Hat eine ordentliche Prüfung des Bedarfs stattgefunden?“ Bürgermeister Mans antwortete darauf ausweichend: Wenn die Fraktionen schon klar sagten, dass sie defizitär arbeiten, könne man wirklich nicht mehr prüfen. Ullmann und Dr. Michalides fanden das nicht nachvollziehbar. Für Thomas Lorenz von RUA konnte der Vergleich mit anderen Städten ebenfalls nicht ausreichend sein. (Anm.: RUA und Dr. Michalides haben kein Stimmrecht im Hauptausschuss und gehören diesem nur mit beratender Stimme an.)

Wir haben keine eigenen Mittel. (UWG)

Der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Dietmar Busch, verteidigte die Erhöhung. Das Geld sei ja nicht für die Mitglieder der Fraktion. Die Erhöhung bedeute die „Möglichkeit, vernünftig zu arbeiten“.

Der Vorsitzende der UWG-Fraktion, Eric Hoffmann, sah es ähnlich. Die UWG erhebe keine Mitgliedsbeiträge, um Leute nicht von der Mitarbeit abzuschrecken, daher sei sie auf mehr Geld für ihre Arbeit angewiesen. Das erklärt natürlich auch, warum die UWG so gerne Geld für karitative Zwecke spendet. Es ist nicht ihr eigenes Geld.

(Ergänzung vom 11.12.2016: Der UWG-Pressesprecher, Armin Barg, hat hierzu eine Stellungnahme abgegeben, die wir niemandem vorhalten wollen: http://www.stadtnetz-radevormwald.de/article61495-2075.html)

Der langen Debatte folgte die Abstimmung:

Ja: LF, AL
Nein: CDU, SPD, UWG, Grüne, FDP, pro Deutschland
Enthaltung: 1 CDU-Mitglied

Damit wurde der Antrag des LF, die Entscheidung über eine Erhöhung der Fraktionszuwendungen bis zum Abschluss einer ordentlichen Prüfung zu vertagen, abgelehnt.

Erhöhung wäre völlig falsches Signal. (LF)

Nachdem die Entscheidung somit nicht vertagt wurde, empfahl der Hauptausschuss gegen die Stimmen von LF, AL und FDP (bei der Enthaltung jeweils eines CDU- und UWG-Mitglieds) dem Rat, die Erhöhung einfach zu beschließen – ohne Prüfung, nur auf der Grundlage, dass die Fraktionen angeben, „mehr“ Geld zu brauchen und in anderen Städten schließlich auch mehr gezahlt wird.

Diese Empfehlung des Hauptausschusses ist also eigentlich ein Aufruf zum Rechtsbruch an den Rat der Stadt. Unser Antrag hat dabei erst einmal nichts anderes bezweckt, als vor einer politischen Debatte Rechtssicherheit herzustellen. „Wir haben die anderen Parteien, ihre Fraktionen und die Verwaltung mit unserem Antrag über die Unrechtmäßigkeit einer willkürlichen Erhöhung ihrer Zuwendungen informiert. Wir werden unseren Antrag erneut dem Rat vorlegen und in der Zwischenzeit rechtliche Schritte prüfen.“, so Ullmann nach der Hauptausschusssitzung. „Wenn der Rat unserem Antrag entgegen besseren Wissens nicht folgt, müssen wir diesen Griff in die Stadtkasse mit anderen Mitteln verhindern.

Auch politisch ist unsere Position klar:
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt, während der Stadtrat freiwillige Leistungen kürzt, um den Haushalt auszugleichen, würde jede Erhöhung ein völlig falsches Signal an die Bürger senden.“, erklärte Ullmann im Hauptausschuss für das LF.