Ältestenrat und Pandemie: In dunklen Zeiten regiert das Schattenkabinett die Stadt

Die gestrige 2. Ratssitzung des neuen Rats war vor allen Dingen von einem geprägt: Massivem Demokratie-Abbau zu Gunsten des bereits am Ende der vorletzten Ratsperiode installierten Ältestenrats, gerechtfertigt mit der Pandemie.Die gestrige 2. Ratssitzung des neuen Rats war vor allen Dingen von einem geprägt: Massivem Demokratie-Abbau zu Gunsten des bereits am Ende der vorletzten Ratsperiode installierten Ältestenrats, gerechtfertigt mit der Pandemie.

Datei 1: Pressemitteilung zur Erklärung
Datei 2: Erklärung „Ältestenrat und Pandemie“

Weiter kein Rats-TV – Pandemie und Demokratie als künstlicher Gegensatz

Bezeichnend war, dass die Ratssitzung wiederum nicht online beobachtet werden konnte, und zwar obwohl bereits der vorige Rat in einer seiner letzten Sitzungen  dafür mit Satzungsänderungen die formalen Voraussetzungen geschaffen hat (endlich, nach 9 Jahren Kampf) und obwohl es im Sinne des Gesundheitsschutzes wäre. So hätten Einwohner die Ratssitzung verfolgen können, ohne zwingend anwesend sein zu müssen. Hieran hätte der Rat eigentlich ein Interesse haben müssen – wäre es nicht gerade Transparenz und die damit einhergehende Rechenschaftspflicht gegenüber den Einwohnern, die die Rader Parteien fürchten. Schließlich haben sie sich nicht ohne Grund 9 Jahre lang gegen diese Forderung des LF gewehrt, die früh auch von der Alternativen Liste (AL) verfolgt wurde.

Die AL war bei der Ratssitzung übrigens abwesend. Sie hatte am 9. Dezember eine Erklärung veröffentlicht, in der sie ankündigte, auf Grund der Pandemie an keinen Sitzungen der politischen Gremien mehr teil zu nehmen, und forderte, dass Sitzungen künftig online abgehalten werden müssen. Dieser Forderung schließt sich das LF uneingeschränkt an, auch wenn sich diese Praxis ausdrücklich auf diese (und mögliche zukünftige) Pandemie-Situation beschränken muss. Hierfür sind die gesetzlichen Voraussetzungen aktuell nicht gegeben. Wir schließen uns daher auch der Forderung der AL an, dass diese von der Landesregierung geschaffen werden müssen.

Fraktionsspitzen beherrschen jetzt alle politischen Entscheidungen

Die Abstimmungen zu den einzelnen Tagesordnungspunkten der Ratssitzung wurden bereits im Vorfeld im Ältestenrat geklärt; einem Gremium, das unter Ausschluss nicht nur der Öffentlichkeit, sondern selbst der Ratsmitglieder tagt. Ihm gehören nur der Bürgermeister und die Fraktionsvorsitzenden an.
Außerdem wurden, zur Beschleunigung des Verfahrens, bis zu 5 Tagesordnungspunkte jeweils im Block abgestimmt – wiederum ausdrücklich, wenn der Ältestenrat so entschieden hatte.

Mit Begründung der Pandemie war nur ein Teil der Ratsmitglieder jeder Fraktion erschienen. Die bloße Auswahl der Ratsmitglieder stellt so eine Vorauswahl statt, sodass eventuell unliebsame Positionen in der eigenen Fraktion leicht aus der politischen Entscheidungsfindung heraus genommen werden können. Gleichzeitig hat die eigentliche Fraktion der jeweiligen Partei keine Möglichkeit, sich eine eigene Meinung zu bilden, da nur ihr Fraktionsvorsitzende an den Treffen des Ältestenrats teilnimmt.

Damit ist eine Situation herbei geführt worden, in der das Stadtparlament faktisch zu Gunsten eines offiziell nicht Beschluss-fähigen Hinterzimmertreffens, des Ältestenrats, abgeschafft worden ist. Sowohl die Demokratie innerhalb des Rates, als auch innerhalb jeder einzelnen Fraktion wurde mit diesen Maßnahmen faktisch ausgeschaltet.

Legitimierung eines illegitimen Gremiums

Bürgermeister und Fraktionsvorsitzende wurden im Verlauf der Sitzung nicht müde, sich auf Entscheidungen des Ältestenrats zu berufen und diesem damit einen offiziellen Charakter zu geben, den er gemäß der Satzungen der Stadt gar nicht hat. Da der Ältestenrat unter Ausschluss der Ratsmitglieder tagt, handelt es sich bei ihm im Gegenzug um kein beschlussfähiges Gremium. Es ist eine Voraussetzung für ein solches Gremium, dass Ratsmitglieder diesen uneingeschränkt als Zuhörer beiwohnen können. Genau das wollen die Rader Fraktionsvorsitzenden aber nicht. Daher musste auf dringenden Rat des Städte- und Gemeindebunds die folgende Formulierung in die Hauptsatzung der Stadt Radevormwald aufgenommen werden:

„Er ist kein Beschlussgremium im Sinne der GO NW.“
Hauptsatzung der Stadt Radevormwald, § 9a (3)

Das heißt nicht weniger, als dass der Ältestenrat grundsätzlich keine verbindlichen Entscheidungen treffen darf und kann, erst Recht darf er nicht über finanzielle Mittel verfügen. Trotzdem sagte Bürgermeister Mans in der Ratssitzung „(…), aber wir können nicht eine Vorlage dahingehend verändern, wenn das diskutiert wird im Ältestenrat.“ (wörtliches Zitat, ehem. TOP 14, Änderungen der Wertgrenzen in den §§ 9 und 13 der Hauptsatzung)

Damit wollte er die Fraktion der Radevormwalder Unabhängigen Alternative (RUA) abweisen, als diese in einem Punkt von dem im Ältestenrat vereinbarten Verfahren abweichen wollte. Es werden also frei erfundene und sich direkt gegen das geltende Recht richtende Regeln im Rat durchgesetzt. Wir fordern deswegen den Bürgermeister auf, sich hierzu zu erklären.
Zu der getrennten Abstimmung über einzelne Punkte der Vorlage, die die RUA an diesem Punkt wollte, kam es dann doch: Die CDU sprach dafür.

Pandemie und Demokratie als künstlicher Gegensatz

Außerdem: Mehr Entscheidungsspielraum – für wen?

Maßnahmen, die dafür sorgen, dass weniger Menschen bei Sitzungen zusammen kommen, muss man an sich begrüßen, aber diese Maßnahmen dienen nur dazu, die dem Ältestenrat schon lange unangenehm gewordene Demokratie in unserer Stadt abzuschaffen. Es gibt die Maßnahmen, die verträglich mit demokratischen Prozessen wären und sie nicht einfach ersetzen. Anstatt aber zum Beispiel die Zuhörerzahl durch eine Veröffentlichung der Ratssitzung im Internet zu reduzieren, konzentriert man immer mehr Entscheidungsbefugnis, auch über immer größere Summen, auf einen immer kleineren Personenkreis der sich kaum noch öffentlich rechtfertigen muss und zunehmend Befehle erteilt.

Auch in dem oben genannten Tagesordnungspunkt ging es darum: Als Ergebnis dieses Beschlusses können Bürgermeister und Ausschüsse über deutlich größere Summen selbstständig entscheiden. Von Vergabeverfahren für Aufträge der Stadt wird der Rat fast völlig fern gehalten, auch wenn es sich um einen Betrag handelt, über dessen Freigabe er am Ende entscheiden muss.

Forderungen des LF verbinden Gesundheitsschutz und Demokratie!

Wir wollen Konsequenzen aus dieser Ratssitzung. Daher fordern wir:

  1. Herstellung von Transparenz: Übertragung und Bereitstellung der Ratssitzungen im Internet ab sofort, gleich ob Video oder Ton-Aufzeichnung, damit die Öffentlichkeit an den Sitzungen teilnehmen kann, ohne sich dem vermeidbaren Risiko einer Infektion mit SARS-CoV-2 auszusetzen zu müssen.
  2. Wiederherstellung von Demokratie: Nicht nur die Öffentlichkeit, auch jedes gewählte Ratsmitglied muss die Möglichkeit haben, sich an demokratischen Entscheidungen und den vorangehenden Diskussionen selbst zu beteiligen. Wenn die EinwohnerInnen nicht persönlich an den Ratssitzungen teilnehmen müssen, weil sie im Internet zugänglich ist, ist der große Saal des Bürgerhauses geeignet, alle Ratsmitglieder aufzunehmen, bis Online-Sitzungen des Rats stattfinden können.
  3. Online-Sitzungen möglich machen: Die Landesregierung muss sich der Notwendigkeit beugen und die gesetzlichen Voraussetzungen für solche Sitzungen während einer Pandemie-Krise schaffen. Diese Sitzungen müssen ebenfalls online verfolgt werden können.